SCHWEINFURT / HAMBACH / HASSFURT – Norbert Seuffert hatte mal ein ganz „normales“ Leben. Der gebürtige Haßfurter arbeitete in der Versicherungsbranche. Mit 55 Jahren wollte er an sich in Rente gehen. Das klappte aber erst 2021. Drei Jahre später ist Seuffert nun 66 Jahre alt und lebt – wenn man es dramatisch ausdrücken möchte, was es aber rein gar nicht ist und was auch nur indirekt stimmt – auf der Straße.
Und das kam so: 2017 verkaufte er sein Elternhaus in Hambach. „Mein Vater hatte Häuser geliebt, ich nicht. Ich war schon immer Minimalist!“ In Nepal lernte er anschließend Armut und das einfache Leben kennen. Zurück in Unterfranken bezog er im Schweinfurter Musikerviertel ein Ein Zimmer-Appartement. „Und da fing das Drama an!“
Ein nasser Fleck an der Wand entpuppte sich als Wasserschaden. Drei Wochen lief das nervende Trockengerät, „nichts als Ärger“. Letztlich kaufte sich Seuffert – um die Geschichte abzukürzen – ein Wohnmobil. Und senkte seine Kosten auf Null. Versicherung für den Wagen, Handy, Essen und Trinken, sonst fast nichts. Bei einem Bekannten in Hambach ließ er sich eine Postadresse einrichten. Mit einem erhaltenen Brief in drei Monaten. Vom alten Leben war schnell viel gelöscht. Im Keller dieser Wohnung steht eine Waschmaschine, die er noch braucht und regelmäßig benutzt.
Ansonsten: Ein Leben im Wohnmobil! Der begeisterte Mountainbiker, Snowboarder, Bergwanderer und Kletterer ist gerne in den Alpen unterwegs mit seinem 2022 gekauften Gefährt. Das hat eine Kochgelegenheit, eine Toilette (die er nicht benutzt, weil er die Chemie dafür ablehnt), keinen Fernseher, aber einen umdrehbaren Beifahrersitz, auf dem es sich Norbert Seuffert gerne gemütlich macht, wenn er Musik hört und dabei die Füße auf der Sitzbank breit macht. Gerne auch mal barfuß im Herbst!
Wenn er nicht unterwegs ist, dann steht er im Sommer zu meistens auf dem Parkplatz am Schweinfurter Baggersee, nutzt Toiletten und Dusche dort. Oder er macht im Winter eine Seitenstraße im Gewerbegebiet im Hafen zu seiner Heimat. Im myX1-Fitnessstudio im Gebäude, wo auch Expert Müller beheimatet ist, trainiert Norbert als Mitglied ab und an. Irgendwann teilte er dort mit, dass er auch ansonsten gerne mal zum Duschen kommen würde und zum täglich mehrfachen Geschäft, auch ohne den Körper stählen zu wollen. Erlaubnis erteilt!
Als im Sommer Draußenschlafer macht es ihm im Winter nichts aus, wenn 7 Grad im Wohnmobil eher abschreckend wirken dürften für Otto Normalbürger. Abends hört er oft Musik über das Autoradio. Anfangs wurde das über die Batterie gespeist, die irgendwann frühmorgens leer war. Inzwischen gibt es eine zweite, geladen von einer Solaranlage auf dem Dach. Auch Straßencamper entwickeln sich weiter.
Für soziale Kontakte, dringend notwendig, geht er oft in die Stadt, trifft sich mit Freunden einer Biker-Clique auf einen Kaffee. Und geht danach einkaufen. Denn: Norbert Seuffert kocht in seinem Wohnmobil eigentlich jeden Tag frisch. Das heißt: Er öffnet keine Konserven oder verarbeitet Tütenessen. Als Vegetarier gibt´s bei ihm viel Gemüse, möglichst Bio, Dinkel- oder Vollkorn-Nudeln. „Jedenfalls nichts aus Päckchen!“ Buttermilch liebt er, abends auch gerne mal ein Glas Rotwein.
Der dreifach geschiedene Ehemann hat natürlich auch eine private Geschichte zu erzählen. Für seine Entscheidung, so zu leben, wie er es tut, spielt die aber keine Rolle. Seine Tochter Karina starb im Jahr 2006 im Alter von nur 23 kurz nach der Geburt ihrer Tochter, also seiner Enkelin, ausgerechnet zur Weihnachtszeit im Krankenhaus. Als er und ihr Gatte sie besuchen wollten, teilte man es den beiden Männern mit. Das Bild von Karina hängt im Wohnmobil. Die Zeit heilt nicht alle Wunden, „aber man muss es akzeptieren“.
Beim Pressetermin hatte er sein Fahrrad bereits in Hambach deponiert. Denn das Wohnmobil muss in die Werkstatt. Zur Firma Bonfigt nach Bergrheinfeld, wo er durchaus auch die Möglichkeit haben könnte, selbst während der Reparaturmaßnahme auf dem Gelände zu übernachten. Seuffert hat eine in Maßbach lebende Schwester. „Wenn alle Stricke reißen“, kann er sich dort vorübergehend einquartieren.
„Mehr als drei Viertel“ des Jahres heuer war er unterwegs. In Garmisch, in Ligurien, in der Meraner Gegend, im Allgäu, in den Alpen… Meistens auf Plätzen, auf die man sich gratis stellen darf. In Italien bei 30 Grad musste er mal auf den Camping-Platz, um die schlapp machende Batterie aufzuladen. Im Juli bestieg er über einen Gletscher alleine den Großglockner in Österreich. Inklusive kleinem Lawinen-Abgang.
Ende des Jahres geht´s (wieder) nach Portugal, wo er sich bereits vor zwei Jahren für drei Monate aufhielt. Seine Schwester hat dort ein Haus, sie wird auswandern. Rund 2700 Kilometer einfache Strecke liegen vor ihm. Nobert Seuffert wil sich für die Fahrt, auch über die Pyrenäen („da schlafe ich frei in den Bergen und dusche unter einem Wasserfall!“) vier Wochen Zeit nehmen. Um mit 90 km/h Sprit zu sparen und die Reise zu genießen.
Vor zwei Jahren war er alleine über Weihnachten in Portugal. Und auch jetzt im trüben Herbst, wenn es draußen nicht mehr so viel Spaß macht und die Tage kürzer werden, gibt er zu: „Ich habe manchmal auch depressive Phasen. Irgendwas zu tun gibt´s zwar irgendwie immer. Aber ich habe keinen Vorgarten, und manchmal ist es ohne Aufgaben gar nicht so einfach.“ Doch jetzt stehen ja wieder Reisepläne an. Und immer wieder Erlebnisse mit seiner Enkelin.
Als er das Haus verkaufte, sagten die Nachbarn ihm voraus, dass er das Leben im Wohnmobil maximal eineinhalb Jahre aushält. „Daraus wurden nun schon sieben. Aber ich denke auch nicht darüber nach, was denn ist, wenn ich älter werde und vielleicht nicht mehr kann. Doch wenn ich in eine Komfortzone komme wie bei meiner Schwester oder auf einem Campingplatz, dann geht´s mir bald nicht mehr so gut.“ Er spricht von der Angst, „mich an den Komfort wieder zu gewöhnen. Ich will da nicht mehr zurück. So ist es Abenteuer und Freiheit pur!“ Dabei zeigt er auf ein Bild vor dem Eisbaden im Baggersee. „Seit ich das mache, hatte ich keine Erkältung mehr.“ Und auf einen Hausarzt verzichtet er ohnehin…
Ach ja: Eine Freundin hat Norbert Seuffert. Man sieht sich eigentlich jeden zweiten Tag, ein Zusammenziehen ist aktuell kein Thema. „Sie sagt, dass ich das tun muss“, spricht er über ihre Zustimmung für sein Leben im Wohnmobil. Ein zweites Bett könnte er dort wieder einbauen, dann müsste halt das Mountain-Bike raus…. Vorstellen könnte er es sich aber schon, drei Tage mit der Partnerin zu verbringen und vier alleine in seinem kleinen Zuhause.
Vielleicht kommt das ja noch. mainfranken.news jedenfalls würde wieder berichten. Und würde auch dann garantiert wieder vom 66-Jährigen hören: „Ich habe meine Entscheidung nie bereut. Das Wohnmobil ist mein Zimmer. Das werde ich nicht aufgeben!“