Ein geopferter Kirschlorbeer für Blümchen: Die Schweinfurter Stadtwerke sorgen für den nächsten Schildbürgerstreich

Ein geopferter Kirschlorbeer für Blümchen: Die Schweinfurter Stadtwerke sorgen für den nächsten Schildbürgerstreich

SCHWEINFURT – Blümchen kann einem echt leid tun. Oder man freut sich über ihre nun wieder gute Sicht. Der Popstar der 90er Jahre, mit echtem Namen Jasmin Wagner, ist Teil einer EDEKA-Werbekampgne mit dem Slogan „Herz an Herz im Regal“, in Anlehnung an einen ihrer Hits.

Nun mischt sie ungewollt inmitten eines unglaublichen Schildbürgerstreichs mit.

Was ist passiert? Das neue Schweinfurter Stadtbussystem 2.0 ist ja nach wie vor höchst umstritten, gerade läuft ein Bürgerbegehren mit der Rückkehr zum alten als Ziel. Eine der am 1, Januar stillgelegten Bushaltestellen befindet sich in der Segnitzstraße am Hochfeld direkt vor der Kirche St. Lukas und dem angeschlossenen Kindergarten. Die Aufgabe dieser Haltestelle ist aber nur indirekt hier das Thema.

Sondern: An der einen Seite der Haltestelle wirbt eben innen und außen die EDEKA mit Blümchen. Außerhalb stand bis vor einiger Zeit ein auf zwei Meter Höhe gewachsener Kirchlorbeer-Busch. Und der ist nun bis auf die Wurzeln gestutzt. So dass man Blümchen nun wieder gut sehen kann.

Dass die Haltestelle still gelegt wurde und entsprechend im Häuschen niemand mehr auf den Bus wartet, ist das eine. Die nächste Buswartestelle Albertistraße Richtung Wildpark ist das andere Thema. Dieser Haltepunkt befindet sich noch im Betrieb. Doch da steht auf der nicht vermarkteten Werbetafel „Miet me“. Konkret: Die Stadtwerke beziehungsweise die Schwarz Aussenwerbung GmbH suchen dort nach einem Unternehmen, das Reklame machen möchte.

Fassen wir zusammen: Vor einem Bushäuschen außer Betrieb mit Werbung wird extra ein immergrüner Busch entfernt, während knapp 200 Meter weiter für eine stark frequentierte Haltestelle Reklame gesucht wird. Mit nur einem kleinen bisschen Grips hätte man ja auf die Idee kommen können, Blümchen einfach zu versetzen. Also: Keine echten Blümchen, sondern die EDEKA-Botschaft von Jasmin Wagner. Und deren Plakat. Von Bushalt 1 zu Bushalt 2.

Dazu kommt das, was nicht nur die künstliche Intelligenz weiß, wenn man sie fragt. Nämlich: „Büsche und Hecken dürfen gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) nicht in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September stark zurückgeschnitten oder auf den Stock gesetzt werden. Dieser Zeitraum ist für den Naturschutz wichtig, um die Nist- und Lebensstätten von Vögeln und anderen Tieren zu schützen. Ein sanfter Formschnitt ist zwar erlaubt, aber das Entfernen der Bäume und Sträucher ist während dieser Zeit verboten.“

Dr. Georg Lippert ist derjenige, dem das alles auffiel. Er sah im Juli den Hausmeister der Kirche bei seinem Werk, wie er aus zwei Metern immergrünen Busch ein kaum noch grünes, kleines und quadratisches Beet zum Vergessen machte. Der Auftrag dazu kam von den Stadtwerken. Dr. Lippert konnte so gerade noch verhindern, dass sogar gleich die Wurzel mit ausgegraben wurde.

Der Kirschlorbeer lag ihm deshalb am Herzen, weil die vor vier Jahren verstorbene Anwohnerin Else Glöckle diesen Busch einst stiftete und sich bis zuletzt zu ihrem Tod fast täglich mit einer Gießkanne bewaffnet um ihn kümmerte. Die letzten Jahre wuchs er prächtig – und war halt auch immergrün und daher schön anzuschauen.

Bei Stadträtin Dr. Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft/ödp traf Dr. Lippert auf offene Ohren. Auch sie weiß, dass man in den sieben warmen Monaten Büsche nur dann komplett schneiden darf, wenn sie die Verkehrssicherheit gefährden oder wenn eine genehmigte Baumaßnahme das notwendig macht. An einem Bushäuschen, das eh bald verlegt werden soll, ergibt das natürlich keinen Sinn.

Kurios: In einem Dokument, das www.mainfranken.news vorliegt, bitten die Stadtwerke das Dekanat Schweinfurt als Grundstückseigentümer lediglich darum, „die Hecke etwas zurückzuschneiden“. Vom Radikalschlag, so wie er dann erfolgte, war eigentlich nie die Rede. Aber es gab dort ja auch keine Hecke…

„Für die Werbewirksamkeit einer stillgelegten Haltestelle, deren Verlegung samt Bushäuschen von den Stadtwerken schon beschlossene Sache ist, sollte kein Busch gefällt werden“, drückt es Dr. Ulrike Schneider aus. Und muss dabei verschmitzt lächeln, denn irgendwie vermutet sie, dass die Stadtwerke vielleicht angesichts des so gut laufenden Bürgerbegehrens bereits kapituliert haben könnten.

„Denn nur bei der Wiederinbetriebnahme alter Haltestellen und Linienführungen – und wirklich nur dann – macht der brachial geschaffene Blick auf die Werbung überhaupt einen Sinn!“ Sprach´s und zwinkerte Blümchen zu. Zumindest die ist noch da, auch wenn sie 200 Meter entfernt viel besser aufgehoben wäre und zur Geltung käme…

Unter dem Link zum Beitrag, in dem es um das Bürgerbegehren geht, folgen noch ein paar Fotos:

2 Comments

  1. Bernhard Herrmann

    Besuch am Grab … oder: Das Opfer des Lorbeers
    Ein Lehrgedicht in Zeiten des Marketings

    Wo einst ein Busch uns grün beglückte
    steht jetzt Reklame – bunt geschmückte.
    Wo Kinder spielten, Mütter schoben,
    ist nun der Werbespruch zu loben.

    Der Lorbeer fiel – ganz ohne Not,
    auf dass man ‘Blümchen‘ besser bot.
    Nicht echte Blüten, wohlgemerkt!
    … nur ein Plakat, das sichtbar werkt.

    Doch halt: Die Haltestelle … still!
    … kein Bus, kein Plan, kein Fahrgastwill’.
    Man sägte trotzdem ohne Skrupel:
    Der Auftrag kam vom Remel-Pupel.

    „Zu viel Gestrüpp …“ – so hieß es dann,
    „… macht Werbung unsichtbar, oh Mann!“
    So fiel der Strauch – ein grüner Greis,
    Frau Glöckle stiftet’s einst – ganz leis’.

    Natur? … Gesetz? – ach, bitte nicht!
    Verwaltet wird hier nur: die Sicht.
    Fürs ‘Blümchen‘-Plakat, gut drapiert,
    wird halt auch Grünzeug abserviert!

    Vivat Reklame, schweige Vernunft:
    verweht im Wind, verloren in Dunst.
    Des Strauchs Geist schreibt’s ans Bushäuschen-Tor:
    Hier blühte ein Lorbeer – einst … davor.

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