„Eigentlich wollte ich bis 50 in Schweinfurt spielen!“ Wie Mikhail Nemirovsky nun in Freiburg landete

SCHWEINFURT / FREIBURG – Ende letzter und Anfang dieser Woche war er wieder in Schweinfurt. Um dazwischen im Rahmen des Deutschland-Cups in Landshut seine Trainer-Lizenz verlängern zu lassen. Die Rede ist von Mikhail Nemirovsky, mutmaßlich der beste Eishockeyspieler, der je für die Mighty Dogs aufgelaufen ist. Und der Schweinfurt nun als seine Heimatstadt bezeichnet. Auch wenn er nun im Südwesten Deutschlands arbeitet.

Vier Stunden einfach sind es nach Freiburg. Fahrten oft mit Stau um Mannheim herum. „Eine tolle Stadt“, schwärmt der seit Herbst auch schon 50-Jährige über die Breisgau-Metropole mit viel Sonnenschein („wichtig für mich!“). Doch eigentlich lebt „Nemo“ ja im Schweinfurter Stadtteil Bellevue. Nach Hause zu seiner Freundin kommt er aber nur noch alle zwei Wochen – und auch nur dann in der kalten Jahreszeit länger, wenn in der DEL 2 der Betrieb ruht aufgrund von Länderspielen, so wie jetzt.

Eishockey ist nach wie vor das Leben von Nemirovsky. Für den ERV lief er drei Mal auf: 2002 bis 2004, 2007/08 und 2010 bis 2014. In den grandiosen Oberliga-Jahren, als 3000 Fans und mehr in den Icedome kamen, war er der Star der Mannschaft. 181 Scorerpunkte in 101 Partien in der dritten Liga. Sensationelle Zahlen, mit denen er der erfolgreichste Spieler des Vereins aller Zeiten ist. Zwei Mal klopften die Mighty Dogs an der Türe der DEL 2 – um jeweils in den Play-Offs gegen Peiting und Weißwasser schnell auszuscheiden.

Nemo wechselte danach nach Hannover zu den Scorpions in die DEL 1. Nach 18 Einsätzen ergab sich die Chance für ihn, nach Novosibirsk zu gehen. Russland, seine ursprüngliche Heimat. „Die Liga dort war zu der Zeit die beste in der Welt und bedeutete für mich eine tolle Chance, mit und gegen die Besten zu spielen.“

Es folgten Stationen in Dresden und Crimmitschau, 2. Liga. Dann wieder Schweinfurt, weil dort sein Sohn Alexander gerade geboren wurde. Nach nur einer Saison die nächsten Städte: Heilbronn, Hannover (diesmal die Indians), Dortmund, sogar 20 Partien in China. Ehe wieder Schweinfurt dran war: 245 Scorerpunkte in vier Jahren, Aufstieg in die Oberliga, dort zwei Mal der Klassenerhalt über die Relegation. Mit Siegen gegen Regensburg, heute ein großes Tier in der DEL 2.

Dann gingen die Schweinfurter freiwillig nach unten. „Man hat mir keinen Vertrag mehr angeboten“, sagt er noch heute enttäuscht. Er feierte anschließend mit Bad Kissingen Erfolge. Aufstieg in die Bayernliga, zwei Mal das Finale dort, einmal Meister, fast ging es in die Oberliga. „In Kissingen konnte ich zusammen mit anderen etwas aufbauen und gleichzeitig in der Region bleiben, da damals mein zweiter Sohn Noah geboren wurde, der heute gerade beim Eishockey einsteigt.“

Nach dem Aus des Standorts dort ging´s für ihn nach Höchstadt, wo er als Trainer die Alligators in fast vier Jahren zu einer gestanden Mannschaften in der Oberliga machte. „Eigentlich hatte ich die Hoffnung, wieder in Schweinfurt spielen zu können, bekam aber erneut kein Angebot. Also wurde es Höchstadt, auch weil mein drittes Kind geboren wurde. Mit den Alligators waren wir mit einem der kleinsten Budgets in der Oberliga erfolgreich.“

Als freilich nun Freiburg nach der Trennung vom Trainerduo Timo Saarikoski und Sami Lehtinen vor rund drei Wochen anfragte, „da war die Zeit gekommen“. Schon vor vier Jahren klopften die Wölfe bei ihm an, auch andere Vereine hatten Interesse. „Aber ich bin auch wegen der Familie in Höchstadt geblieben.“ Die Mittelfranken legten ihm keine Steine in den Weg. Nemirovskys Ambitionen sind höher als die der Alligators. „Ich musste das nun machen“, sagt er.

Tabellenführer Kassel und Weiden vor rund 3000 Fans haben die Freiburger bereits geschlagen, nun geht es Freitag zuhause gegen den Zweiten Krefeld und Sonntag nach Crimmitschau. Als Achter mit Blick eher nach oben stehen die Wölfe gut da. „In der Liga gibt´s viel Konkurrenz. Nach einem guten Wochenende ist man Dritter, nach einem schlechten Zehnter!“ Freiburg will möglichst direkt in die Play-Offs. Aufgrund der kleinen und alten Halle ist am Standort ein Aufstieg zwar nicht möglich. „Ich bleibe dort trotzdem so lange wie möglich“, sagt Nemo. Doch insgeheim träumt er von der DEL oder mal einem Engagement in der Schweiz.

Über Österreich und Italien landete die auswandernde Familie Nemorovsky einst in Kanada, als er noch ein kleiner Bub war. Die Eltern leben noch heute in Toronto. Diverse Sportarten lagen ihm, am Ende wurde es Eishockey als Beruf. Auf diverse Stationen in unteren Ligen folgte Nemos Sprung zu Spartak Moskau. Durch ECHL und AHL, wie die Ligen halt heißen, wechselte er nach der Rückkehr. Mikhail Nemirovsky war schon fast 27, als nach einem Gastspiel bei Lada Togliatti wieder in Russland Deutschland an die Reihe kam: Erst Ratingen und Bayreuth, jeweils 3. Liga. Ehe ihn John Noob nach Schweinfurt vermittelte. Ein Glückfall für die Mighty Dogs, die den größtmöglichen Eishockey-Boom auslösten. Unvergessen beim dritten Gastspiel: Als auch sein älterer Bruder David für den ERV auflief, der es sogar in die NHL geschafft hatte. „Einer meiner Träume ist auch, mit David einmal zusammen als Duo als Trainer an der Bande zu stehen.“

„Schweinfurt ist eine Eishockey-Stadt“, sagt Mikhail jetzt beim Pressetermin und beim Blick auf den Icedome. Und: „Eigentlich wollte ich bis 50 in Schweinfurt spielen. Aber das ist nicht passiert!“ Wenn man ihn hört, dann möchte man meinen, dass er am liebsten heute noch bei den Mighty Dogs aktiv wäre. Natürlich nicht bei einem Kellerkind in der Bayernliga. Aber vielleicht zusammen mit dem ebenfalls nun in Schweinfurt wohnenden Sergej Waßmiller als Macher wieder weiter oben. „Ich könnte hier sicher immer helfen“, sagt er. Sein Sohn Alexander, jetzt 17, spielt für den ERV-Nachwuchs, seine Tochter Emma besucht die Laufschule.

„Ich wünsche Schweinfurt nur das Beste“, sagt er. „I hope, they turn the ship around!“ Das anscheinend seit Jahren kenternde Schiff wieder mit PS auf´s Wasser bringen. Helfen würde er. „Man muss den richtigen Prozess anfangen, dann passieren auch wieder gute Dinge. Man kann diese Zeiten auch wieder zurück holen.“ Damit meint er 2002 bis 2004. Die Jahre, als das Eishockey in Schweinfurt einen ganz anderen Stellenwert hatte als heute. Als Mikhail Nemirovsky auf dem Eis zauberte. Der längst als Trainer durchstartete, der eigentlich in Schweinfurt lebt und der die Mighty Dogs liebt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert