Eine kleine Geste, die viel bewirken kann: Auch an Weihnachten sind viele Menschen von Einsamkeit betroffen

Eine kleine Geste, die viel bewirken kann: Auch an Weihnachten sind viele Menschen von Einsamkeit betroffen
Bild © Paul Frigger (POW)

WÜRZBURG – Die 7b des Würzburger Sankt-Ursula-Gymnasiums bereitet sich auf Weihnachten vor. „Noch 1 Monat bis Weihnachten“, steht auf der Tafel geschrieben. An diesem Morgen werden bei festlicher Weihnachtsmusik die ersten Weihnachtskarten gebastelt und beschriftet.

Doch diese Karten gehen nicht an die Verwandten der Schülerinnen, sondern an Pflegeeinrichtungen und Menschen, die sonst nicht viel Kontakt zur Außenwelt haben. Die 7b macht, wie viele andere Schulen in Würzburg und ganz Deutschland, mit bei der Aktion „Weihnachtsbriefe gegen Einsamkeit“ von youngcaritas, der Jugendorganisation der Caritas. Bei der Aktion schreiben Schülerinnen und Schüler, aber auch Einzelpersonen Weihnachtskarten oder Briefe an ältere Menschen. Youngcaritas sammelt diese Briefe ein und verteilt sie zum Beispiel an Pflegeeinrichtungen, aber auch Einzelpersonen, die von Einsamkeit betroffen sind. Das Ziel ist, Einsamkeit an Weihnachten zu lindern und mehr Sichtbarkeit für das Thema herzustellen.

Auch andere Klassen des Sankt-Ursula-Gymnasiums machen bei der Aktion mit. Schwester Johanna Ankenbauer ist Religionslehrerin und versucht seit mehreren Jahren, die Schulklassen daran zu beteiligen. Sie glaubt, dass die Weihnachtsbriefe die Empathie und das aktive Engagement der Schülerinnen fördern und die Solidarität zwischen den Generationen steigern: „Ich finde es einfach wichtig, dass die Generationen füreinander da sind, und ich glaube, die Schülerinnen denken dadurch auch mehr über Einsamkeit nach.“ Einmal habe die Schule sogar eine Antwort bekommen: In einem Brief der Bewohner des Antoniushauses der Oberzeller Franziskanerinnen wurde den Schülerinnen der Sankt-Ursula-Schule für die zahlreichen Weihnachtskarten gedankt. Das zeige ihr, dass die Aktion was bewirken kann.

Spätestens seit der Coronapandemie ist Einsamkeit für mehr Menschen ein Problem geworden. Das Einsamkeitsbarometer 2024 vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt, dass die Einsamkeitsbelastungen in der deutschen Bevölkerung von ungefähr acht Prozent im Jahr 2017 auf 28 Prozent im Jahr 2020 gestiegen sind. Seit dem Ende der Pandemie ist diese Zahl zwar gesunken, liegt aber noch immer höher als das Vor-Corona-Niveau. Während 2017 vor allem ältere Menschen unter Einsamkeit litten, sind seit der Pandemie verstärkt jüngere Menschen betroffen. Die möglichen negativen Folgen von Einsamkeit reichen von Schlafstörungen und Kopfschmerzen bis hin zu Depressionen und einem erhöhten Risiko, von Herz-Kreislauf-Problemen und Demenz betroffen zu sein.

Um Einsamkeit entgegenzuwirken, wurden vor allem während der Pandemie viele Initiativen ins Leben gerufen, die den „Weihnachtsbriefen gegen Einsamkeit“ ähneln. Das Konzept: Briefe schreiben an Leute, die allein sind. Die Aktion der youngcaritas scheint aber gerade nach der Pandemie immer populärer zu werden. Seit dem Beginn der Aktion in 2020 steigt die Zahl der eingesendeten Briefe laut dem Bundesverband der youngcaritas stetig an. Während 2022 noch 6000 Briefe verzeichnet wurden, waren es 2024 schon 11.911. Bei der youngcaritas-Stelle in Würzburg sind 2024 ungefähr 1100 Briefe eingegangen. Nicht nur aus Würzburg selbst, sondern auch aus Hamburg, Regensburg oder Weimar, sagt Esther Schießer. Sie ist Projektleiterin der youngcaritas Würzburg und für die Aktion in Würzburg verantwortlich.

Schiesser glaubt, dass es bei der Weihnachtspost gegen Einsamkeit nicht nur um den Wert für die Empfängerinnen und Empfänger geht, sondern auch darum, für das Thema Einsamkeit zu sensibilisieren. „Ich finde es wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass in unserer individuellen Gesellschaft jeder mal einsam sein kann und dass solche Aktionen zum Reflektieren einladen.“ Von den Einrichtungen und Personen, welche die Weihnachtskarten erhalten, bekomme sie immer wieder positive Reaktionen. Sie merke anhand der Briefe, dass sich die Menschen bei den Karten Gedanken machen. „Manche geben Tipps, was sie selbst machen, wenn sie einsam sind, manche teilen persönliche Geschichten, und wieder andere malen einfach etwas Schönes. Man merkt, wenn jemand Spaß beim Erstellen der Karte hatte“, sagt sie und blickt dabei in den Klassenraum der 7b, wo die Schülerinnen fleißig an ihren Weihnachtskarten arbeiten.

Nach anfänglichem Überlegen sind alle Schülerinnen in die Bearbeitung der Karten vertieft. An den Tischen werden Christbäume ausgeschnitten, Tannenzweige gemalt oder Gedichte geschrieben. Dabei ertönt Weihnachtsmusik aus einem Handy. Hier und da singt oder summt jemand mit. Jana hat einen Schneemann auf ihre Karte gemalt. Über dem lächelnden Schneemann schreibt sie ihre Weihnachtsgrüße auf die Karte. Sie finde es schön, bei der Aktion mitzumachen.

„Es ist eine kleine Geste, mit der man relativ viel bewirken kann. Es dauert nicht lange, so eine Karte zu machen, und am Ende freut sich jemand darüber“, sagt sie. Ein paar Reihen weiter sitzt Frieda. Sie denke jetzt an Weihnachten schon mehr über Einsamkeit nach. Wenn sie selbst einsam wäre, „würde ich vielleicht eher eine E-Mail bekommen wollen, aber es macht auch Spaß, die Karten zu machen“. Luise ist fast mit ihrer Karte fertig. Sie findet es toll, dass jemand, der alleine ist, trotzdem Post bekommt, obwohl sie die Person gar nicht kennt. Sie sagt: „Es ist einfach eine schöne Geste, Menschen, die einsam sind, zu sagen: Hey, du bist nicht alleine!“

Für die Aktion „Weihnachtsbriefe gegen Einsamkeit“ der youngcaritas können noch bis Mittwoch, 10. Dezember, Briefe an den Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg, Bahnhofstraße 4-6 in Würzburg, gesendet werden. Mehr Infos auf youngcaritas.de/brieftaube.

Text: pdf (POW)
Auf dem Bild © Paul Frigger (POW) | Die Schülerinnen gehen sehr kreativ an die Verzierung der Karten heran.

Comments

No comments yet. Why don’t you start the discussion?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert