SCHWEINFURT – Mehr als 15 Jahre sind seit dem Bau der Stadtgalerie ins Land gegangen und die Spuren in der Innenstadt unübersehbar: Leerstände über Leerstände und Magneten wie Nordsee, C&A, Mc Donald’s oder Juwelier Christ fehlen in der City.
Das Bild in der Stadtgalerie selbst ebenso ernüchternd, dort überwiegen inzwischen die Leerstände. „Die Entscheidung, 23.000 qm überflüssige Verkaufsfläche außerhalb der Kernstadt anzusiedeln, hat dazu beigetragen, die Geschäftswelt im Zentrum weiter auszudünnen. Es war eine folgenschwere Fehlentscheidung – bis heute!“, so Stadträtin Ulrike Schneider.
Nach einem intensiven Austausch mit dem nunmehr siebten Stadtgalerie-Manager befürchtet sie jetzt eine Wiederholung der gleichen Fehler und damit den „endgültigen Sargnagel“ für die Innenstadt. Sie setzt stattdessen auf Wohnen und bezieht Stellung zu den innenstadtschädlichen Plänen für die Stadtgalerie (ECE).
Fehlplanung 1: Stadtgalerie als Forum Medicus
Die Planung der ECE-Verantwortlichen, Arztbesuche und Einzelhandel zu koppeln und auf einer Ebene Arztpraxen, Physiotherapeuten, Apotheken und Krankenkassen anzusiedeln, ließe sich zum jetzigen Zeitpunkt wegen fehlender Zusagen zwar noch nicht verwirklichen, aber auch der Ansatz, mit ein paar Praxen zu beginnen, sei der Beginn einer erneuten Abwärtsspirale, ist sich Axel Kröner, damaliger Initiator des Bürgerbegehrens gegen das ECE, sicher.
Das für Schweinfurt überdimensionierte ECE-Center hat die Schweinfurter Einzelhandelsgeschäfte verheerend geschädigt und würde dies mit einem neuen Fokus auf den Gesundheitssektor wiederholen. Man brauche die Frequenz der Arztbesucher aus Stadt und Land im Stadtzentrum, wo man noch (!) gute Einzelhandelsgeschäfte habe. „Wer eine Arztpraxis aufsucht und deshalb in die Innenstadt kommt, geht im Anschluss hoffentlich dort noch zum Einkaufen oder ins Café“, so Axel Kröner.
Fehlplanung 2: Ankerkonzepte entziehen Kaufkraft
Die mittlerweile vom ECE ins Spiel gebrachte Variante der die Innenstadt „ergänzenden“ Ankerkonzepte sei ebenso innenstadtzerstörend, auch wenn der ECE-Manager ein „gutes Miteinander“ anstrebt. Wenn das angedachte Familienkonzept die Ansiedlung von Geschäften für Bastelbedarf, Spielwaren und Textilbekleidung vorsieht und das Sportkonzept die Ansiedelung von Sportgeschäften, dann wiederholt sich die Misere, so Martin Weiss, der als Einzelhändler aus der Kernstadt weiß, was der Wegzug bzw. das Schließen renommierter Einzelhandelsgeschäfte für die verbleibende Geschäftswelt bedeutet. Es fehlt der Innenstadt an Attraktivität, die Kundenfrequenz lässt deutlich nach.
Finanzspritze im zweistelligen Millionenbereich
Wenn nun über den Verwalter des Immobilienfonds (die Stadtgalerie gehört nicht mehr ECE, sondern einem Fonds) über 20 Millionen Euro in das Einkaufszentrum investiert werden sollen, um die Flächen über Baukostenzuschüsse oder Mietzuschüsse attraktiver zu gestalten, sei dies nur eine relativ kurzfristige Maßnahme zur Sanierung der Stadtgalerie, so Schneider. Auf Dauer könne man Mieten nicht subventionieren, am Ende lande man bei den gleichen Problemen wie jetzt und damit bei erneuten Leerständen. An diese Befürchtung knüpft Martin Weiss an und bringt eine weitere Überlegung ins Spiel: „Eine Finanzspritze, die – will man den Gepflogenheiten der Finanzbranche Rechnung tragen – wohl eher zum Aufhübschen für einen anschließenden Weiterverkauf gedacht ist“. Der Verkehrswert einer Immobilie orientiere sich am Mietertrag, führt Weiss aus und befürchtet entsprechende Beweggründe für die Investition in das Einkaufszentrum.
Stadtrat ist den Bürgern, nicht den Investoren verpflichtet!
Eine Änderung des Bebauungsplans, in dem genaue Vorgaben zur Sortimentsfestlegung gemacht werden und der bislang die Ansiedelung von Arztpraxen oder Reha-Zentren ausschließt, kommt für Ulrike Schneider nicht in Frage. „Wir sind nicht irgendwelchen Investoren verpflichtet, sondern unserer Stadt und ihren Bürgern!“, so die Stadträtin. Einer scheibchenweise Sortimentsveränderung über Einzelentscheidungen will sie genauso wenig zustimmen wie einer grundsätzlichen Überarbeitung des Bebauungsplans, an dem die Stadt laut Aussage des ECE-Managers bereits arbeitet.
Stattdessen fordert sie das ECE-Management auf, die einige Jahre alten Überlegungen für die Umwandlung der Stadtgalerie in Wohnraum wieder aufzunehmen. Damals habe man die Pläne als zu kostspielig ad acta gelegt, aber nun seien Zuschüsse des Eigentümers Commerz Real in Millionenhöhe im Spiel, da müsse auch dieses Konzept erneut auf den Prüfstand. „Wohnen belebt die Innenstadt – dann nimmt auch die unselige Geschichte der Stadtgalerie noch ein gutes Ende“, hofft die Stadträtin.
Auf dem Bild von links: Martin Weiss, Dr. Ulrike Schneider, Axel Kröner