Immer nur herein mit den „haarigen Lebensversicherungen“! Würzburg ist „assistenzhundefreundliche Kommune“

Immer nur herein mit den „haarigen Lebensversicherungen“! Würzburg ist „assistenzhundefreundliche Kommune“
Foto: Claudia Lother

WÜRZBURG – Nicht anfassen, nicht ansprechen, nicht füttern: Wenn Mascha im Dienst ist, ist sie zu 100 % auf ihr Frauchen konzentriert, denn der Einsatz der Labradorhündin kann ganz schnell nötig werden. Wenn die Kalium- und Magnesiumwerte im Blut ihrer Besitzerin aufgrund ihrer Herzerkrankung sinken und eine Herzrhythmusstörung droht, wittert Mascha es schneller als Patientin Manja Maserati es selbst spürt.

Dann stupst die ansonsten ruhige Hundedame das Bein ihres Frauchens an, wird immer energischer und stellt sich ihr in den Weg, bis Manja Maserati ihre Medikamente genommen hat. Dann endlich Entspannung. Wenn das Frauchen sitzt, umso besser, dann ist Zeit für ein kurzes Schläfchen – aber nur mit halbgeschlossenen Augen. Und wenn Maschas Decke für den Powernap nicht direkt neben dem Frauchen liegt, holt sie sie kurzerhand selbst. Mascha kann aber noch viel mehr: Sie kann selbstständig die Medikamente holen, wenn sie nicht griffbereit sein sollten, eigenständig einen Notruf absetzen und dem Rettungsdienst die Türe öffnen. Mascha ist ein medizinischer Warn- und Anzeigehund und als Kardioassistenzhund einer von ganz wenigen in Deutschland. Ihre Ausbildung dauerte fast drei Jahre und kostete 35.000 Euro.

„Mascha ist meine haarige Lebensversicherung“, sagt Manja Maserati, der man ihre Erkrankung nicht ansieht. Sie berichtet nicht nur von ihrem Leben als enges Team, sondern auch davon, dass ihr Assistenzhund an vielen Orten gar nicht willkommen ist, in Ämtern, in Lebensmittelgeschäften, in Arztpraxen, in Ferienwohnungen, bei der Reha – und sie selbst damit auch keinen Zutritt erhält. Damit sich dies ändert, hat sich nun auch Würzburg zur „assistenzhundefreundlichen Kommune“ erklärt und sich der Zutrittskampagne „Assistenzhund willkommen“ angeschlossen.

„Es ist wichtig, uns als assistenzhundefreundliche Kommune auszuweisen“, betont Oberbürgermeister Martin Heilig. „Denn Assistenzhunden wird häufig noch der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen verwehrt. Wir möchten, indem wir hier beispielhaft vorangehen, einen besseren Zugang ermöglichen und das Bewusstsein schärfen für die ‚tierischen Hilfsmittel‘.“ „Wir hoffen“, ergänzt Sozialreferentin Eva von Vietinghoff-Scheel, „dass mit dem offiziellen Start der Kampagne im Rathaus das Wissen über Assistenzhunde auch im Einzelhandel, der Gastronomie, in kulturellen Einrichtungen und das generelle Bewusstsein für die Vierbeiner im Dienst wächst und sich möglichst viele Einrichtungen anschließen.“ Mit der Teilnahme an der Kampagne setzt Würzburg eines der Ziele aus dem zweiten Kommunalen Aktionsplan Inklusion um.

Die städtischen Dienststellen werden nun nach und nach mit blauen Aufklebern als „assistenzhundefreundlich“ gekennzeichnet, die Hausordnungen in den Verwaltungsgebäuden werden überprüft und gegebenenfalls angepasst. Wenn Hunde aus wichtigen Gründen keinen Zutritt zu einem Dienstgebäude haben, wird der Zusatz ergänzt, dass Assistenzhunde davon ausgenommen sind. Informationsmaterialien werden für Mitarbeitende wie auch Besuchende zur Verfügung gestellt. Die städtischen Dienststellen werden in die Onlinekarte der assistenzhundefreundlichen Kommunen „Dog Map“ eingetragen.

Grundsätzliches Zugangsrecht für den Assistenzhund

Die Kampagne „Assistenzhundefreundliche Kommune“ wurde vom gemeinnützigen Verein Pfotenpiloten e.V. entwickelt. Ziel ist es, das Bewusstsein für das gesetzlich verankerte Zutrittsrecht für Menschen mit Assistenzhunden in der breiten Öffentlichkeit zu schärfen. Denn Menschen mit Assistenzhunden haben grundsätzlich Zutrittsrecht zu allen öffentlichen Einrichtungen, Verkehrsmitteln und Arbeitsstätten, auch rund um Lebensmittel oder im medizinischen Bereich. Dies ist gesetzlich eindeutig im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG §12e) geregelt. Die Hunde sind wie ein Hilfsmittel, wie beispielsweise auch ein Rollstuhl, zu werten. Es ist nicht erlaubt, den Zutritt zu verweigern oder den Hund aus hygienischen Gründen zu verbieten. Dass jemand Angst vor Hunden oder eine Hundehaarallergie hat, gilt auch nicht als Grund für ein Verbot von Assistenzhunden. Als Faustregel gilt: Assistenzhunde wie Mascha müssen – auch bei generellem Hundeverbot – überall dort eingelassen werden, wo Menschen in Straßenkleidung Zutritt erhalten.

Kein Kuschel-Wauwau, sondern im Dienst

Assistenzhunde übernehmen in einem Mensch-Hund-Team lebenslang unterstützende Funktionen. Sie werden aber – bis auf den Blindenführhund – von den Krankenkassen oder anderen Trägern nicht finanziert. Der Verein Pfotenpiloten e.V., dem auch Manja Maserati und Mascha angehören, fördert seit zehn Jahren qualifizierte Assistenzhundeteams.

Assistenzhunde werden speziell und individuell für das Mensch-Hund-Team ausgebildet. Es gibt Blindenführhunde, Signalhunde für gehörlose Menschen, Assistenzhunde bei Mobilitätseinschränkung, medizinische Warnhunde (für Epileptiker, Narkoleptiker, Diabetiker, Allergiker, Herz-Kreislauf-Erkrankte, etc.) oder auch Assistenzhunde bei posttraumatischen Belastungsstörungen. „Die Hunde müssen viel können“, berichtet Roswitha Warda, Gründungsmitglied der Pfotenpiloten. „Neben der langen Ausbildung müssen sie grundsätzlich ein ruhiges, freundliches Wesen haben, sozialkompetent sein, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, kein Jagd- und kein Schutzverhalten zeigen und Lust auf den Job haben. Daher sind einige Rassen besser geeignet als andere.“

Und wie verhalten sich Passanten gegenüber einem Hund im Dienst? „Am besten ignorieren“, sagt Manja Maserati. Der Hund im Dienst sollte nicht angesprochen werden, „wenn man etwas Nettes sagen möchte, dann bitte dem Halter.“

www.pfotenpiloten.org

Auf dem Bild: Startschuss mit hoffentlich folgendem Nachahmungseffekt: Würzburg ist assistenzhundefreundliche Kommune. V.li: Björn Rudek (Leiter CTW), Behindertenbeauftragter Julian Wendel, Inklusionsbeauftragte Anke Geiter, Manja Maserati mit Mascha, Oberbürgermeister Martin Heilig, Roswitha Warda (Pfotenpiloten e.V.), Inklusionsbeauftragte Dr. Sandra Michel, Thomas Herrmann (Leiter WWS, Wirtschaft Wissenschaft Standortmarketing).
Foto: Claudia Lother

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