„Was wäre, wenn es die Tafel nicht geben würde?“: Die Stadtratsfraktion der Linken zu Besuch – diesmal gings am Bergl um die Hilfe für finanziell Schwache

„Was wäre, wenn es die Tafel nicht geben würde?“: Die Stadtratsfraktion der Linken zu Besuch – diesmal gings am Bergl um die Hilfe für finanziell Schwache

SCHWEINFURT – „Was wäre, wenn es die Tafel nicht geben würde?“ Diese Frage stellte sich kürzlich beim Besuch der Schweinfurter Stadtratsfraktion der Linken bei eben dieser Schweinfurter Tafel in den Räumen am Bergl. Die Vorstände Ernst Gehling und Rainer Hörmann sowie Schatzmeister Andreas Lang stellten die Einrichtung vor und erklärten, welche Hilfe sie sich von der Stadtpolitik erhoffen.

Die Zahlen, die dabei genannt wurden, sind nicht nur beeindruckend, sondern vielmehr erschreckend: Fünfmal wöchentlich versorgt die Tafel in Schweinfurt an täglich 150 bis 200 Haushalte mit Lebensmitteln. Im Durchschnitt leben drei Personen in einem Haushalt, aber auch Alleinstehende oder größere Familien mit bis zu vier Erwachsenen und fünf Kindern holen regelmäßig ihre Lebensmittel ab. Wer zum Beispiel durch einen Sozialausweis oder einen Einkommensnachweis nachweisen kann, dass er von Diakonie oder Caritas als arm eingestuft wurde, darf einmal pro Woche für lediglich 3 Euro einkaufen.

Damit werden 500 bis 750 Menschen pro Tag versorgt, die zu wenig Geld haben, um via Supermarkt regulär über die Runden zu kommen.

Mehr als 100 Ehrenamtliche sichern den reibungslosen Ablauf in drei Arbeitsgruppen. Morgens sind die Abholer unterwegs, um die haltbaren Lebensmittel überall dort in den Lieferwagen einzusammeln, wo man sie nicht mehr verkaufen kann und wo sie gerettet werden wollen, um anderen Menschen zu helfen. Über Mittag wird sortiert und geprüft, was spätestens ab 14 Uhr das Team der Ausgabe an die Bedürftigen für kleines Geld abgibt.

„Es geht bei uns weit über das bloße Einsammeln von Tomaten hinaus“, erklärt Ernst Gehling und zieht einen Vergleich mit rund 1000 Tafeln in ganz Deutschland, die alle unterschiedlich organisiert sind. Die einen haben mehr Kunden, die anderen weniger, die einen mehr oder weniger Lebensmittel, die anderen mehr oder weniger Helfende. Auch die räumliche Situation variiert: Die einen sind in einem ehemaligen Supermarkt zu Hause, andere in von der Kommune finanzierten Räumen.

Die Tafel Schweinfurt ist aktuell mit vier beschäftigten Teilzeitkräften noch gut aufgestellt mit Ehrenamtlichen, auch wenn es gerade beim Fahrdienst manchmal eng wird. Hilfe würde man sich versprechen, wenn Stadt und Landkreis und auch die Großindustrie aktiver Ehrenamtsjobs anbieten würden, gerade bei Personen, die in Schweinfurt aus dem Arbeitsleben ausscheiden und nach einer sinnvollen Beschäftigung suchen.

Zudem spricht sich Gehling für die Einführung eines sozialen Pflichtjahrs aus, das allen sozialen Organisationen zugutekommen könnte. Hier könnten alle im sozialen Bereich aktive Organisationen Nutznießer sein. Auch eine jährliche Veranstaltung für alle sozialen Vereine, zum Beispiel am Marktplatz, um diese zu präsentieren, hält er für hilfreich.

„Ohne Ehrenamtliche würde Deutschland zusammenbrechen“, drückt es Gehling dramatisch und ehrlich aus. Auch regt er an, Ehrenamtliche mit Vergünstigungen wie kostenlosen Busfahrten zum Einsatzort zu unterstützen.

Nach dem Besuch wird die Tafel Schweinfurt der Linken eine Prioritätenliste übermitteln, damit diese im Stadtrat trotz knapper Haushaltsmittel Unterstützung einfordern kann. Gehling nennt als Beispiel die finanzielle Belastung durch die regelmäßige Prüfung elektronischer Geräte, wie der vier Kühlzellen und der Kistenwaschanlage, die der Tafel den Arbeitsalltag erleichtern, aber auch Kosten verursachen – Kosten, die zumindest teilweise von der Stadt übernommen werden könnten.

Zu gerne würde die Tafel auch eine Photovoltaikanlage aufs Dach setzen, um Stromkosten zu sparen. Doch die Räume sind nur angemietet, zudem – weil alt – eher schlecht gedämmt. „Im Winter frieren wir, im Sommer schmilzt dafür die Schokolade“, berichten die Vorstände. „Unsere Wünsche sind klein und bescheiden“, fügt Gehling hinzu, „aber es wäre schon eine Hilfe, wenn die Stadt weiterhin die Müllentsorgungskosten übernehmen würde.“

„Finanziell Schwache zu unterstützen, ist nicht sexy“, wissen die Linken-Stadträte Andrea C. Greber, Frank Firsching und Robert Striesow. „Und der soziale Bereich wird oft als Belastung gesehen, nicht als Unterstützung. Das soziale Netz hat zudem viele Löcher.“, ergänzt Firsching. Vereine wie die Tafel Schweinfurt werden leider kritisch beäugt von denen, die finanzielle Not als nicht real vorhanden ansehen und die glauben, dass die staatlichen Maßnahmen ausreichen, damit allen Menschen in Deutschland ein gutes Leben zu ermöglichen. „Ich bin sehr beeindruckt von der Logistik hier. Da könnten sich manche Unternehmen eine Scheibe abschneiden“, fasste Linken-Stadträtin Andrea C. Greber ihren Eindruck zusammen.

Mit den 3 Euro, für die jeder Haushalt einmal pro Woche einkaufen kann, kommt die Tafel wirtschaftlich gerade noch über die Runden. Ohne gelegentliche kleinere bis größere Spenden und Zuwendungen wäre dies jedoch nicht möglich.

Zurück zur Eingangsfrage: „Dann gäbe es in Schweinfurt keine sichtbare Armut“, lautet die Antwort. Doch die langen Schlangen bei der Tafel fünfmal pro Woche zeigen, dass in der Stadt Schweinfurt viel zu viele Menschen leben, die finanziell nicht aus eigener Kraft über die Runden kommen

„Armut darf in einer reichen Gesellschaft nicht zur Privatangelegenheit werden. Es braucht eine strukturelle Antwort auf die Not, die sich Tag für Tag vor den Türen der Tafeln zeigen“, sagt abschließend Robert Striesow.

Das Gruppenfoto vor dem Tafelwagen zeigt von links: Frank Firsching (DIE LINKE), Ernst Gehling (Vorsitzender der Tafel), Robert Striesow (DIE LINKE), Rainer Hörmann (2. Vorsitzender der Tafel), Andrea C. Greber (DIE LINKE) und Andreas Lang (Schatzmeister der Tafel).

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