BAD KÖNIGSHOFEN – Sollte jemand daran gezweifelt haben, dass die Tischtennis-Bundesliga heuer so stark und ausgeglichen ist wie nie und dass Grenzau ein Angstgegner des TSV Bad Königshofen ist, der zweifelt nach diesen viereinviertel Stunden Kampf auf Biegen und Brechen am Mittwochabend nicht mehr.
Was der Königshöfer Kurdirektor Werner Angermüller danach als einen „schönen Abend ohne Happy End“ empfand, war in der Tat ein sportlicher Leckerbissen auf Weltklasse-Niveau. Etwas für Krimi- und Drama-Fans auf jeden Fall, für schwache Nerven und Bluthochdruckler aber nicht das Richtige.
Es haben kurz vor Mitternacht letzten Endes, aber lange vorher, zwei Bälle darüber entschieden, dass der TSV, immerhin Tabellenzweiter gegen den Letzten, nicht mit 3:0 gewann, sondern mit 2:3 verlor. Zwei Bälle im fünften Satz des zweiten Einzels Zeljko gegen Kubik beim Stand von 16:16. Hätte sie Filip gewonnen und nicht Maciej, hätte Bad Königshofen nach Stegers 1:0 gegen Feng mit 2:0 geführt. Und hinterher gewann ja Ueda gegen Walker. Das Spiel wäre nach gut zweieinhalb Stunde aus und mit 3:0 gewonnen gewesen – und der TSV Tabellenführer. Und so endete der Abend zwar mit einer Enttäuschung, aber überragenden Erlebnissen: Ballwechseln, die man nicht glauben könnte, dass es sie gibt, wenn man sie nicht selber gesehen hätte.
Der Gästetrainer Slobodan Grujic hatte zudem erheblichen Anteil am Coup der Westerwälder. Etwas überraschend nominierte er den Taiwanesen Feng an Position zwei. So durfte er im angestrebten Schlussdoppel ran. Die zwei Einzelsiege sollten er und Kubik liefern. Sein Plan ging auf, wenn auch etwas anders. Bastian Steger rang im ersten Einzel Feng nieder, spielte auf dem „Basti-fantasti-Niveau“, als wäre er keine 43 und keine 34, als würde er mit jedem Spiel ein Jahr jünger und besser. „Lieber Jörg Roßkopf“, schrie der Hallensprecher nach Stegers Gala-Vorstellung ins Mikro, „schau dir unseren Basti Steger an, wenn du einen Guten für die Nationalmannschaft brauchst!“
Er formulierte es anders, als die meisten der für einen Mittwochabend gegen das Schlusslicht gut gefüllten Arena dachten: Das könnte der erste Punkt zu einem schnelleren als erwarteten Sieg gewesen sein. Er war es mitnichten. Denn es folgte das Drama des Abends, das bis zur 2:1-Satz-Führung für Filip Zeljko gegen Maciej Kubik wie ein Lustspiel abging. Im fünften Satz bei 4:5 und Auszeit Grenzau legten die Jungs an der Musikbox „Wenn nicht jetzt, wann dann“ auf. Die Fans sangen flott mit. Von 5:5 bis zum bitteren Ende kam keiner mehr als einen Punkt weg, war es ein ständiger Wechsel vom Vorhof zum Himmel oder zur Hölle, Wechselbad der Gefühle eben. Und es war alles drin, Kantenbälle und Netzroller, Rallyes vom Feinsten, geniale Ballwechsel vom Fließband. Und faire Spieler, die mehrfach Bälle zugaben. So auch Sam Walker gegen Ueda sogar einen Satzball im zweiten Satz. Die Fans ließen mit ihrem Kampfgeist nicht nach. Da konnte und wollte es ihr aller Filip auch nicht. Er wehrte lustvoll sechs Matchbälle ab, vergab dramatisch zwei eigene bei 13:12 und 15:14 und unterlag16:18 – der tragische Held des Abends.
Als hernach Jin Ueda gegen Sam Walker mit 2:11 im ersten Satz untergegangen war, schienen ihm und dem TSV die Felle davon zu schwimmen. Doch der zurzeit etwas verunsichert scheinende Japaner taute in den nächsten drei Sätzen zum Ende hin jeweils auf und riss das Ruder noch zur Königshöfer 2:1-Führung herum. Die Bastian Steger gegen den gegenwärtig überragend aufspielenden Kubik uneinholbar auszubauen gedachte und die Fans auch im ersten Satz mit „He, he, super Basti“ in Verzückung brachte. Nur änderte das der junge Pole, wurde immer stärker, spielentscheidend und schickte, wie geplant, sein Schlussdoppel Feng/Walker gegen Ueda/Allegro in die Box – um halb elf, nach dreieinhalb Stunden.
Auch dieser war ein heißer Fight, mit Wahnsinns-Ballwechseln hüben und drüben. Die größere Konstanz mit weniger unnötig aussehenden Fehlern versehen, brachten die Gäste an den Tisch. Während das TSV-Erfolgsdoppel nach dem gewonnenen zweiten Satz einen Hauch nachließ, bekamen Feng/Walker durch diesen Hauch entscheidend Luft unter die Flügel. So knackten die Grenzauer nach 8:0 TSV-Doppelsiegen in den letzten zwei Jahren die Festung Bad Königshofen, zeigten ihr die Grenzen auf. Nach fünf Sätzen war die längste Heimsiege-Serie (6:0) in neun Jahren Bundesliga zu Ende. „Besser hier als am 9. November im Pokal-Viertelfinale gegen Bad Homburg an selber Stelle“, nahmen viele Fans mit in die Nacht. Und einer von ihnen: „Letzte Saison haben wir hier 0:3 gegen sie verloren und kamen dann doch in die Play-Offs.“
Tischtennis, Bundesliga: TSV Bad Königshofen – TTC Zugbrücke Grenzau 2:3
Bastian Steger – Yi-Hsin Feng 3:1
(7:11/11:6/11:9/11:4)
Filip Zeljko – Maciej Kubik 2:3
(7:11/11:5/12:10/7:11/16:18)
Jin Ueda – Samuel Walker 3:1
(2:11/16:14/13:11/12:10)
Steger – Kubik 1:3
(11:6/9:11/6:11/8:11)
Ueda/Allegro – Geng/Walker 2:3
(13:15/11:9/8:11/11:7/6:11)
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Text und Fotos: Rudi Dümpert für mainfranken.news