WÜRZBURG – Dumpf hallen Gesprächsfetzen durch den Kirchenraum des Würzburger Neumünsters. Sie kommen von der Kuppel, 40 Meter über den Bänken. „Dann steige ich noch ein bisschen rauf“, „Kann ich hoch?“, sind einzelne Sätze der Feuerwehrleute zu verstehen, die hier in schwindelerregender Höhe an der Arbeit sind.
Sie üben für den Ernstfall. Sollte auf dem Kirchendach oder im Gebälk ein Unfall passieren, gibt es keinen anderen Rettungsweg als über die Kuppel.
Durch eine kleine Luke, die ins Gebälk des Neumünsters führt, fällt ein einzelner Karabiner und baumelt hoch oben in der Luft. Ein Seil folgt und dann die Beine knallroter Feuerwehruniformen. Ganz langsam erscheinen zwei Körper, die am Seil herabgelassen werden – Meter für Meter. Bei den beiden Männern handelt es sich um Berufsfeuerwehrmann Tobias Klopf und einen Kollegen, der heute die verunfallte Person spielt.
„Heute war das Szenario angenommen, dass ein Mitarbeiter der Dachdeckerfirma Reparaturarbeiten am Dach der Kirche gemacht hat“, erklärt Klopf. Dabei hat er sich verletzt, er kann noch sitzen und muss am Seil gerettet werden. Das bedeutet für die Feuerwehrleute der Höhenrettung: Im engen Raum im Dachstuhl Sicherungen festmachen, in 40 bis 50 Metern Höhe jeden Karabiner genau prüfen und den Patienten sicher zum Boden bringen. Das ist geschafft. Klopf ist zufrieden: „Die Rettung hat soweit gut geklappt“, sagt er.
Wenige Stunden später knien Klopf und seine Kollegen erneut in einem engen Gebälk. Im Glockenturm der Marienkapelle liegt eine Person auf einer mannsgroßen Plastiktrage. Über ihr hängt eine der Glocken. Bei der Person soll es sich diesmal um eine Glockenmonteurin handeln. Die Höhenretter nehmen an, dass ihre Patientin stärker verletzt ist. Sie muss im Liegen gerettet werden. Die Rettung soll über die Fassade erfolgen. Denn die Marienkapelle bietet auf dem Dach mit ihren Steingeländern mehr Sicherungspunkte für Seile und Karabiner als das Neumünster. Vorher müssen die Feuerwehrleute aber noch an einem Vordach vorbei. Die „Retter“ bauen eine Art Seilbahn direkt zum Unteren Markt. 200 Kilogramm hängen an dem Seil, das nach unten gelassen wird. Der „Retter“ klettert über die Brüstung – mit dem Ausblick über Würzburg. Im Hintergrund liegen die Festung und Weinberge. Die roten Dächer der Häuser am Unteren Markt wirken klein wie Spielzeughäuser.
Hier oben müssen die Feuerwehrleute schwindelfrei und körperlich fit sein. Jeder Schritt muss gut überlegt werden. Die Aufstiege sind anstrengend. Die Wege auf das Dach sind manchmal schwer zugänglich. Es geht über schmale Treppen und einzelne Feuerwehrstiegen. Zusätzlich muss die Ausrüstung bis nach oben transportiert werden. „Jetzt waren wir hier in der Marienkapelle gut zweieinhalb Stunden damit beschäftigt, die Person aus dem Glockenturm zu holen“, sagt Andreas Baumann, Leiter der Höhenrettung Würzburg. Die Höhenretter sind die Einzigen im Umkreis, die in dieser Lage helfen können. Bei Kirchen müssen die Retter auch immer wieder besondere Dachformen oder Türme beachten. „Die gibt es bei anderen Gebäuden eher selten“, sagt Klopf. Aber: „Je öfter man es übt, in der Höhe zu arbeiten, umso sicherer kann man sich dort bewegen.“ Besonders Spaß macht Klopf die Teamarbeit hier oben – und das Arbeiten in der Höhe im Allgemeinen. „Man gewinnt einmalige Ausblicke, die man sonst niemals sehen würde.“
Heute ist es gleich zweimal der Überblick über die gesamte Würzburger Innenstadt, während die Plastiktrage mit seiner Kollegin sicher am Seil hinunter auf den Marktplatz gleitet. Die Kirchenhöhenrettung ist geschafft.
Text: Christina Denk (Internetredaktion)
Auf dem Bild © Christina Denk (POW): Bei der Übung im Würzburger Neumünster seilen sich die Höhenretter von der Kuppel in den Altarraum ab.