WÜRZBURG – Werke, die bislang nicht im Museum am Dom (MAD) gezeigt wurden, aus dem Schaffen von Künstlerinnen, die dort noch keine Kunst präsentiert haben: Die Ausstellung „Mehr Künstlerinnen! Neue Werke für das MAD“ im MAD_Lab, dem „Labor“ des Museums, setzt mit diesem Konzept bewussten Akzent und präsentiert Werke von Schwester Astrid Bartholme, Madeleine Dietz, Gerda Enk, C. U. Frank, Helga Franke, Gertrude Reum und Rosemarie Stephan.
Von großformatigen Werken, die wegen ihrer Ausmaße vor dem MAD_Lab positioniert wurden, über ein metallisches Landschaftsrelief bis hin zu einer Monstranz, also traditionellem Kunsthandwerk, reicht die Bandbreite.
„Der Titel der Ausstellung ist bewusst provokant und fordernd gewählt“, erklärte Michael Koller, einer der Kuratoren der Ausstellung, bei einem Pressegespräch am Freitag, 10. Oktober. Kunst sei männlich dominiert, so auch der Sammlungsbestand des MAD. Zahlreiche Neuzugänge weiblicher Kunstschaffender hätten dieses Ungleichgewicht aber verbessert. „So entstand die Idee, eine Auswahl aus diesen hier noch nie gezeigten Arbeiten auszustellen.“ Zugleich stellte er klar: Die Präsentation sei nicht darauf angelegt, die Benachteiligung von Frauen in der Kunst vordergründig zu thematisieren . „Es geht vielmehr darum ‒ auch aus dem Bewusstsein vieler Ungleichheiten heraus ‒ die Blicke auf das vielfältige künstlerische Nachsinnen und Empfinden von Künstlerinnen zu lenken und dabei die direkte Befragung der ausgestellten Positionen anzustoßen.“
Über lange Zeit hinweg sei die künstlerische Rolle von Frauen hauptsächlich auf traditionelles Kunsthandwerk beschränkt gewesen, erklärte Kurator Christoph Deuter. Besonders in Nonnenklöstern seien in der Barockzeit reich bestickte Messgewänder sowie aufwändig gestaltete Klosterfrauenarbeiten aus Glassteinen, Perlen, Pailletten, Gold- und Silberdrähten entstanden. „Die Monstranz, eine Goldschmiedearbeit von Schwester M. Astrid Bartholme von den Oberzeller Franziskanerinnen, lässt sich vielleicht schon beispielhaft als Bruch mit der traditionellen Rolle von Klosterfrauen bei der Ausübung religiösen Kunsthandwerks verstehen.“
Es ist aber nicht allein die Monstranz, die dem MAD_Lab eine gewisse Sakralität verleiht. Dazu trägt nach den Worten Deuters auch die durch den vergleichsweise engen Raum bedingte Konzentration bei. Sie bewirke einen Perspektivwechsel. Zum Beispiel bei Gerda Enks Wörterkisten, die sie „Zwölf Stunden Tag ‒ Zwölf Stunden Nacht“ betitelt hat. Ihre Arbeiten verschaffen sich vor allem über foto- und schriftgrafische Elemente Ausdruck. Den zwölf weiß gestrichenen Holzkästen sind auf ihrer Schauseite Wachsplatten mit eingeritzten Wörtern und Textauszügen eingefügt. Messingschilder mit Bezeichnungen wie „Gras“, „Samen“ oder „Primo Levi“ erschließen weitere Kontexte. „Normalerweise stehen diese Kisten in einem Raum am Boden. Hier sind sie aus Platzgründen an der Wand befestigt ‒ und ich entdecke sie selbst ganz neu“, zeigte sich Enk begeistert.
Als anregend wertete C. U. Frank das Miteinander der ausgewählten Frauenkunstwerke. Das Grundthema ihres Schaffens ist das Hinterfragen von Wahrnehmung. „Ich habe eines Tages ‒ ob in geistiger Umnachtung oder aufgrund einer Eingebung von oben ‒ angefangen, fertige Bilder zu wenden, sie also falsch herum zu präsentieren.“ Damit habe sie als junge Künstlerin in Würzburg angefangen und das so auch später in Düsseldorf beibehalten. Ein Bild sei es jeweils trotzdem, nur anders. „Unser Leben ist schließlich ständig vom Umdenken geprägt“, sagt Frank. Und außerdem bestimmten Gegensätze die Wahrnehmung. „Wenn es ein ,klein‘ gibt, muss es ein ,groß‘ geben. Wenn es ein Diesseits gibt, muss es auch ein Jenseits geben“, erläuterte Frank.
Eng verbunden mit Franken und kirchlichen Themen zugleich sind die Materialkollagen aus Weinblättern und Rosenblüten von Helga Franke. Beides hat sie im Garten des Trennfelder Pfarrhauses zusammengetragen, in dem sie lebt. Das Weinlaub hat sie für das Herbarium sorgfältig ausgewählt, gepresst, entlang der Blattachsen getrennt und in senkrechten und waagrechten Reihen in eine schiefergraue Kunststoffmasse gebettet. Die zwölf Lamellen, jeweils über 2,50 Meter hoch, können wie ein Lamellenvorhang gedreht werden, der den Lichteinfall reguliert. Die Rosenblätter sind in langen Zeilen ebenfalls mittels Kunststoffmasse auf Tischlerplatten befestigt. Wie die Weinblattlamellen sind auch diese Tafeln in einem grauen Eisengestell montiert. „Ich arbeite aus biografischer Notwendigkeit“, sagte Franke. Sie sei in ihrem Dorf eine Außenseiterin und wollte mit diesem Werk ihre Ehrfurcht vor der langen Religionsgeschichte zeigen. Der Weinstock sei ein Sinnbild für Christus, die Rose werde im Weinberg als Indikator für Krankheiten am Weinstock genutzt. Im Christentum stehe die „Rose ohne Dornen“ für die Gottesmutter Maria.
Ausdrücklich dankten Enk, Frank und Franke auch Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst, für diese Gelegenheit, in Würzburg ihre Kunst auszustellen. Es sei schön und wohltuend, diese Aufmerksamkeit zu bekommen, erklärten sie einmütig.
Die Ausstellung ist bis Sonntag, 11. Januar 2026, dienstags bis sonntags von 12 bis 17 Uhr im Museum am Dom, Kiliansplatz 1, in Würzburg zu sehen. Nähere Informationen im Internet unter museum-am-dom.de, Telefon 0931/38665600.
Auf dem Bild © Markus Hauck (POW) | „Mehr Künstlerinnen!“ heißt die aktuelle Ausstellung im Würzburger Museum am Dom. Zu sehen sind Werke, die noch nicht dort gezeigt wurden, von Künstlerinnen, die ebenfalls noch nie im MAD ausgestellt haben.