Spitze Zungen: Korbball – oder wie man als Fremder nach Dorfnähe sucht

Spitze Zungen: Korbball – oder wie man als Fremder nach Dorfnähe sucht

Manchmal reicht ein einziges Plakat am Ortseingang: „52. Bezirksschülertreffen im Korbball“. Und plötzlich steht man an einem Sportplatz in Unterspiesheim, ohne genau zu wissen, warum.

Vielleicht, weil man selbst mal wieder überlegt, ob man nicht ins Dorfleben wechseln sollte. Vielleicht, weil man spüren will, wie sich Nähe anfühlt. Und so steht man also da – als normaler Zuschauer, aber in Wahrheit als Fremder, der auf Probe da ist.

Die Spielerinnen wissen genau, was sie tun. Sie passen, sie werfen, sie jubeln. Die Eltern feuern an, das halbe Dorf schleppt Kuchenbleche und Grillwürste. Nur ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Bin ich hier der Gast? Oder schon der Eindringling? Ich nicke schüchtern in die Menge, bekomme ein „Grüß Gott“ zurück, und antworte zu zaghaft – als wüsste ich selbst nicht, ob ich dazugehören will.

Alles wirkt wie ein geschlossener Kreislauf. Die Mädchen rennen, die Bank springt auf, der Trainer brüllt „Vier Meter!“ – und jeder versteht, was gemeint ist. Jeder außer mir. Und doch: Niemand schaut mich schief an. Im Gegenteil. Eine Mutter drückt mir Kuchen in die Hand. „Probieren Sie mal, ist selbst gemacht.“ Und plötzlich halte ich nicht nur ein Stück Streuselkuchen, sondern auch eine kleine Einladung: Hier darf man einfach mitmachen, ohne gefragt zu haben.

Es ist diese Selbstverständlichkeit, die mich verunsichert. Während ich noch darüber nachdenke, ob ich mich nicht zu auffällig verhalte, läuft das Dorf längst weiter, so als sei mein Zögern nur ein weiterer Teil des Spiels.

Korbball wirkt exotisch, wenn man es nur vom Namen kennt. Aber hier, zwischen Basteltischen und Mini-Disco, merkt man schnell: Der eigentliche Exot bin ich. Ich, der vorsichtig am Spielfeldrand steht und die Gemeinschaft studiert, als müsste er sie in einer Feldforschung beschreiben. Dabei will ich gar nicht analysieren. Ich will nur fühlen, wie es wäre, wenn man dazugehört.

Am Ende gehe ich nach Hause, immer noch ohne zu wissen, wie genau die Regeln funktionieren. Aber ich weiß, wie sich das Dorf anfühlt: ein bisschen laut, ein bisschen chaotisch, aber voller kleiner Gesten, die Nähe schaffen.

Für zwei Stunden durfte ich so tun, als gehöre ich dazu. Und vielleicht reicht das schon, um zu wissen: Ein Umzug aufs Land misst sich nicht an Quadratmetern, sondern daran, ob dir jemand ohne zu zögern ein Stück Kuchen reicht.

Fabian Riedner
redaktion@mainfranken.news

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