EBERN IM LANDKREIS HASSBERGE – Klaus Emmerich, Klinikvorstand im Ruhestand, ist Sprecher der Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern. Aktuell kämpft die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern mit großem Presse-Echo gegen die geplante Schließung der Haßberg-Klinik.
Was sind die Gründe dieses Widerstands? Reicht ein alternatives MVZ nicht aus? Und war die jetzt geplante Schließung der Haßberg-Klinik Ebern absehbar? Ein Interview will Antworten geben.
Frage: Herr Emmerich, warum kämpfen Sie und Ihre Aktionsgruppe so vehement um den Erhalt des Krankenhauses in Ebern?
Emmerich: Die Haßberg-Klinik Ebern ist zur Versorgung von 105.349 Einwohnern/-innen insgesamt und für 7.995 Einwohner/innen binnen 30 Fahrzeitminuten bedarfsnotwendig. Das hat ein Simulationstool mit der Bezeichnung GKV-Kliniksimulator eindeutig ermittelt. Diesen Anspruch leiten wir aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz ab: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Die „Regelungen für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 136c Absatz 3 SGB V“, vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben, orientieren sich an folgendem Kriterium für bedarfsnotwendige Krankenhäuser: Durch Schließung eines Krankenhauses mit Innerer Medizin, Chirurgie und einer Basisnotfallversorgung dürfen nicht mehr 5.000 Einwohner/innen von einer klinischen Versorgung binnen 30 Fahrzeitminuten entfernt sein. Daraus resultieren zwei Erkenntnisse: 1. Die Haßberg-Klinik Ebern ist bedarfsnotwendig. 2. Schon die Schließung der stationären Chirurgie verletzte das Grundrecht der anvertrauten Einwohner/-innen rund um Ebern.
Frage: Ist das geplante, eventuell erweiterte MVZ kein Ersatz?
Emmerich: Für kleine Erkrankungen kann ein MVZ ausreichend sein. Es geht aber um die Überlebenschancen traumatisch verletzter oder lebensgefährlich erkrankter Patienten/-innen. Für erforderliche Reanimationen ist ein MVZ nicht geeignet. Es drohen Todesfälle unterwegs zum nächsten – zu weit entfernten – Krankenhaus.
Frage: Herr Emmerich, wie sehen Sie ein Sektorenübergreifendes Versorgungszentrum? Nicht mal das will der Landkreis Haßberge seinen Bürgern anbieten. Lapidar hat man offensichtlich dem Lokalsender Mainfranken TV mitgeteilt, die „stationäre Versorgung findet jetzt in Haßfurt statt“.
Emmerich: Das über Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Krankenhausreform neu konzipierte Sektorenübergreifende Versorgungszentrum ist eine Mogelpackung. Für sehr einfache medizinische Behandlungen sollen zwar u.a. auch Liegebetten zur Verfügung stehen. Aber: Ein Sektorenübergreifendes Versorgungszentrum steht unter pflegerischer statt ärztlicher Leitung und ohne durchgehende klinische Notfallversorgung. Ärzte stehen nicht durchgängig an 7 Tagen und 24 Stunden, sondern teilweise in Rufbereitschaft zur Verfügung. Dieses Konzept ist für lebensbedrohende Erkrankungen oder Verletzungen ungeeignet und auch nicht gedacht. Es kann schwierige ambulant-ärztliche Versorgungen auf dem Land verbessern, nicht aber ein Allgemeinkrankenhaus mit Notfallversorgung ersetzen. Insofern ist diese Entscheidung des Landkreises Haßberge – anders als die Schließung der Haßberg-Klinik Ebern – nicht zu beanstanden.
Frage: Warum haben Landkreis und Landrat trotzdem die Chirurgie geschlossen? Warum schließen sie jetzt zum Jahresende das ganze Krankenhaus?
Emmerich: Das müssen Sie Landkreis, Landrat und Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken fragen. Wir haben rechtzeitig darauf hingewiesen: „Die bekannte Absicht des Trägers der Haßberg-Kliniken, am akutstationären Standort Ebern von den vorhandenen Fachabteilungen Innere Medizin und Chirurgie die Chirurgie zum 31.12.21 zu schließen, kann mittelfristig das „AUS“ des Klinikstandortes bedeuten.“ Wir haben korrekt prognostiziert: Eine zukünftige Krankenhausreform wird Krankenhäuser ohne Innere Medizin, Chirurgie und Basisnotfallversorgung nicht mehr zulassen. Dies wurde vom Landrat und Landkreis überhört. Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Krankenhausreform setzt jetzt genau diesen Markstein: Ein isoliertes internistisches Krankenhaus ohne Chirurgie wird es nicht mehr geben. In unserer Petition fordern wir deshalb ja nicht nur den Erhalt der Haßberg-Klinik Ebern sondern folgerichtig die Wiedereröffnung der stationären Chirurgie.
Frage: Landrat Wilhelm Schneider und die Vorständin der Haßberg-Kliniken begründen die Entscheidung mit der unzureichenden Bettenauslastung am Standort Ebern. Das internistische Restkrankenhaus sei wirtschaftlich nicht mehr tragfähig gewesen, hieß es?
Emmerich: Dieses Argument ist blanker Hohn: Es geht um das Überleben von Menschen in zeitkritischen lebensbedrohenden Situationen. Lebensrettung steht vor finanziellen Belastungen. Feuerwehren retten Leben. Niemand käme auf die Idee, die Feuerwehr in Ebern aus „Kostengründen“ zu schließen. Eine weit entfernte Feuerwehr kommt erst, wenn das Haus abgebrannt ist. Bei lebensrettenden Feuerwehren sind kurze Wege also selbstverständlich, bei lebensrettenden Krankenhäusern nicht?
Frage: Ist der Landkreis Haßberge denn zum Betrieb von Krankenhäusern verpflichtet?
Emmerich: Art. 51 Abs. 3 der bayerischen Landkreisordnung verpflichtet den Landkreis Haßberge zum Betrieb von Krankenhäusern. Dies kann er allenfalls delegieren.
Frage: Aber der Landkreis Haßberge tut es offensichtlich nicht?
Emmerich: Das ist ein ganz schwieriges Thema. Es fehlt ja der exakt beschriebene Rahmen dieser Landkreisordnung, zum Beispiel Entfernungsangaben, notwendige Fachabteilungen und Ähnliches. Wie soll man dann eine wohnortnahe, klinische Versorgung gegebenenfalls einklagen?
Frage: Trägt noch jemand die Verantwortung für das Krankenhaus Ebern?
Emmerich: In der Tat! Das bayerische Gesundheitsministerium ist verantwortlich für die landesweite Krankenhausplanung. Wir hatten uns deshalb bereits 2021 schriftlich an das bayerische Gesundheitsministerium gewandt, um gegen die Schließung der bedarfsnotwendigen Chirurgie zu intervenieren. Leider ohne Erfolg! Wir erhielten folgenden Bescheid: „Nach unserem Kenntnisstand plant der Krankenhausträger, im Krankenhaus Ebern eine Akutgeriatrie mit internistischem Schwerpunkt zu installieren, wohingegen in Haßfurt die Akutgeriatrie mit traumatologischem Schwerpunkt ausgebaut werden soll. Im Rahmen der Umstrukturierung soll schließlich die Fachrichtung Chirurgie am Standort Ebern aufgegeben werden, um die Operationen am Standort Haßfurt zu konzentrieren. Aus krankenhausplanerischer Sicht sind diese Schritte im Sinne einer nachhaltigen Stärkung der örtlichen Krankenhausstruktur zu begrüßen. … Durch eine Vermeidung von Doppelvorhaltungen und stärkere Profilbildung an den Standorten wird auch aus Sicht des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege die Versorgung im Landkreis insgesamt gestärkt und für die Zukunft gerüstet. Dementsprechend bin ich zuversichtlich, dass es dem Krankenhausträger gelingt, eine Versorgung anzubieten, die den Bedürfnissen der Menschen im Landkreis Haßberge entspricht.“
Auch das bayerische Gesundheitsministerium hat damals die absehbaren Verschärfungen in Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Krankenhausreform und Bundesgesundheitsministerin Nina Warkens Krankenhausanpassungsgesetz entweder nicht wahrhaben wollen oder einfach nur ignoriert. Aus diesem Grund richtet sich unsere Petition jetzt auch an die aktuelle bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach.
Frage: Was kann die Bevölkerung jetzt tun?
Emmerich: Unsere Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern hat mit einer Petition und mehreren Pressemitteilungen eine Initialzündung gestartet. Jetzt brauchen wir die betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner rund um Ebern: Unterzeichnen Sie die Petition. Legen Sie Unterschriftslisten aus. Besuchen Sie zahlreich die geplante Kreistagssitzung am 27.10.25 in Ebern. Melden Sie Protestaktionen an. Es ist 5 Minuten vor 12!
Herr Emmerich, vielen Dank für das Interview.
Bild: Ebern Magazin – KI
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Ebern Magazin
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