Die IHK-Organisation legt den Gegenentwurf zur bisherigen Energiewendepolitik vor

Die IHK-Organisation legt den Gegenentwurf zur bisherigen Energiewendepolitik vor

BERLIN / MAINFRANKEN – Die Energiewende in ihrer aktuellen Ausgestaltung führt langfristig zu massiven Kostenbelastungen für Unternehmen und Haushalte, die mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nur schwer vereinbar sind.

Das zeigt eine aktuelle Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Frontier Economics im Auftrag der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Danach müssten bei Fortführung der aktuellen Energiepolitik die jährlichen privaten Investitionen in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr deutlich steigen.

„Die Zahlen zeigen: Mit der aktuellen Politik ist die Energiewende nicht zu stemmen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Sascha Genders. „Dabei funktioniert die Energiewende nur mit einer leistungsfähigen Wirtschaft. Investitionen in die Energiewende steht häufig kein direkter Ertrag gegenüber. Deshalb müssen diese Gelder erst an anderer Stelle erwirtschaftet werden. Die Belastung von Unternehmen und Bevölkerung erreicht jedoch ein Niveau, das unseren Wirtschaftsstandort, unseren Wohlstand und damit auch die Akzeptanz der Energiewende gefährdet.“

Hohe Energiesystemkosten belasten Unternehmen

Durch die Energiewende werden auch die Energiesystemkosten in den nächsten Jahren stark zunehmen. Dazu zählen neben Investitionen in die inländische Energieerzeugung und Infrastrukturen auch die laufenden Kosten zum Beispiel für den Betrieb von Netzen und Kraftwerken sowie Ausgaben für Energieimporte. Insgesamt schätzt die Studie diese Kosten auf 4,8 bis 5,5 Billionen Euro für den Zeitraum 2025 bis 2049.

„Ein zu hoher Transformationsdruck in Form unrealistischer Vorgaben führt zu extrem hohen und weiter steigenden Kosten, Fehlallokationen und Ineffizienzen“, sagt Genders. Die deutsche Wirtschaft zieht bereits Konsequenzen. „Energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion und damit Arbeitsplätze schon jetzt verstärkt ins Ausland. Wenn wir den aktuellen Weg der Energiepolitik unter diesen Vorgaben weitergehen, gefährden wir nicht nur den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern erweisen auch dem notwendigen Ziel der Klimaneutralität einen Bärendienst.“ Es brauche dringend ein Umdenken in der Energiepolitik, um die Belastungen durch die Energiewende in Deutschland zu reduzieren.

Studie setzt Denkanstöße für kosteneffizientere Energiewende

Die Studie von Frontier Economics macht hierzu konkrete Vorschläge und skizziert in Teilen einen radikalen Kurswechsel in der Energiepolitik. „Die Studie setzt wichtige Impulse. Wir müssen gesamtgesellschaftlich ohne Scheuklappen darüber diskutieren, was möglich ist“, sagt IHK-Energiereferentin Jacqueline Escher. Zentrales Instrument in dem Modell, das die Studie vorschlägt, ist ein CO2-Zertifikatehandel. Der Zielpfad wird regelmäßig an die Entwicklung einer internationalen Peer Group angepasst, um ambitionierten Klimaschutz zu erreichen, ohne Nachteile durch nationale Alleingänge für den Standort Deutschland zu erzeugen. Zudem sieht das Konzept vor, die Regulierung umfassend zu entschlacken, den Technologiewettbewerb zu verstärken sowie die vorhandene Energieinfrastruktur weiter zu nutzen. Letzteres gilt insbesondere für Gasnetze, die künftig Wasserstoff und klimaneutrales Erdgas – dekarbonisiert durch die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) – transportieren können. Ergänzend sollen Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte im Ausland auch in Deutschland anrechenbar sein.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit dieser Strategie 530 bis 910 Milliarden Euro bis 2050 einsparen ließen. Dies entspricht einer Reduktion von etwa 11 bis 17 Prozent der geschätzten Gesamtkosten der Energiewende. Weitere Kosteneinsparungen von 80 bis 220 Milliarden Euro können durch eine Verschiebung des Ziels der Klimaneutralität um z. B. zwei Jahre entstehen. Insgesamt ergeben sich durch das Konzept – je nach Nutzungsgrad der internationalen Kooperation – Einsparmöglichkeiten von potenziell weit über einer Billion Euro bis 2050.

Auch kurzfristige Kostensenkungspotenziale nutzen

„Die Studie enthält Anregungen für eine langfristige Neuausrichtung der Energiewende. Gleichzeitig müssen wir die Vorschläge der Studie auch ganz praktisch kurzfristig nutzen“, sagt Escher. „Aus Sicht der IHK-Organisation gehört dazu eine übergreifende Netzplanung, ein Auslaufen der Erneuerbaren-Förderung für bereits wirtschaftliche Anlagen und ein effizienterer Energiemix, der auch den Einsatz von Biomethan, blauem Wasserstoff oder mit CCS dekarbonisiertem Erdgas technologieoffen berücksichtigt.“ Zudem sei es besser, den Bau neuer Gaskraftwerke nicht über eine staatliche Förderung, sondern über marktwirtschaftliche Anreize zu steuern – wie einer Absicherungspflicht für Stromversorger.

Auch kleinteilige Regulierung, Komplexität und bürokratische Prozesse stehen der Energiewende im Weg und kosten Akzeptanz: „Die Transformation stockt bei Unternehmen und Verbrauchern, weil sie durch energiewendebedingte Regulierung und Bürokratie belastet und zunehmend überfordert sind. Insbesondere auf EU-Ebene ist durch den Green Deal ein Wildwuchs an Bürokratie entstanden, den wir dringend zurückdrängen müssen“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Sascha Genders. Auf nationaler Ebene sollten das Gebäudeenergiegesetz vereinfacht und die Effizienzgesetzgebung verschlankt werden. „Noch in diesem Jahr stehen in der Bundesregierung wichtige Richtungsentscheidungen in der Energiepolitik an. Klar ist: Um die Energiewende erfolgreich zu gestalten, muss sie flexibler und einfacher werden. Es braucht eine Energiewende, die technologieoffen ist, Kosten reduziert, Raum für Innovationen schafft und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Voraussetzung für wirksamen Klimaschutz ernst nimmt.“

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