EBERN – Im Landkreis Haßberge bahnt sich der Vollzug einer Entscheidung an, die viele Menschen tief beunruhigt. Das Krankenhaus Ebern, über Jahrzehnte hinweg eine feste Größe in der regionalen Gesundheitsversorgung, wird zum Jahresende 2025 schließen.
Übrig bleibt nur ein Medizinisches Versorgungszentrum, das ambulante Behandlungen ermöglicht, aber keine stationäre Betreuung mehr bietet. Für gut 25.000 Bürgerinnen und Bürger im Weisach-, Baunach-, Itz- und Lautergrund bedeutet dies: Ab Januar 2026 ist der Weg ins nächste Krankenhaus deutlich länger, die schnelle Erreichbarkeit eines Krankenhauses in der Nähe gehört dann der Vergangenheit an.
Vor diesem Hintergrund hat die Plattform „OpenPetition“ eine Forderung an die Politik gestellt. Die Kreisräte des Landkreises Haßberge sollen endlich öffentlich Stellung beziehen. Denn es geht nicht allein um eine Klinik, sondern um die politische Verantwortung für eine grundlegende Entscheidung. Die Haßberg-Kliniken sind kein privater Träger, sondern ein kommunales Unternehmen. Der Landkreis ist Eigentümer, und damit trägt er letztlich die Verantwortung für Schließungen ebenso wie für den Erhalt von Standorten. Für viele Menschen ist es deshalb schwer nachvollziehbar, dass bislang ausschließlich der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken aktiv geworden ist, während der Kreistag – das zentrale, gewählte Gremium – schweigt. Dieses Schweigen empfinden zahlreiche Bürgerinnen und Bürger als Missachtung des Souveräns, der sie gewählt hat.
Dass die Entscheidung am 31.07.25 verkündet wurde, sorgt zusätzlich für Stirnrunzeln. Landrat Wilhelm Schneider (CSU) tat dies während einer Stadtratssitzung in Ebern. Der Zeitpunkt war alles andere als zufällig gewählt: zu Beginn der Sommerferien, wenn ein Großteil der Bevölkerung gedanklich oder tatsächlich im Urlaub ist. Eine alte Regel lautet, dass brisante Nachrichten am besten dann platziert werden, wenn möglichst wenige Menschen sie bemerken. Der Effekt hielt in diesem Fall jedoch nicht lange an. Noch am selben Abend machte die Nachricht die Runde, und schon am nächsten Tag war in Ebern und Umgebung kaum ein anderes Thema wichtiger. Die Bandbreite der Reaktionen reichte von stiller Betroffenheit über sachliche Besorgnis bis hin zu Empörung und verzweifelter Trauer. In den sozialen Medien wurde heftig diskutiert, und schnell stand die Frage im Raum, wie es so weit kommen konnte.
Die offizielle Begründung für die Schließung liest sich nüchtern. Man verweist auf die geringe Auslastung des Hauses, die nicht mehr tragfähig geworden sei. Schon seit längerer Zeit war der Chefarztposten gemeinsam mit Haßfurt besetzt worden, was ein klares Zeichen für den Rückbau gewesen sei. Wirtschaftlich habe der Standort keine Zukunft gehabt. So weit die Argumente, die aus Sicht der Klinikleitung und des Landrats das Vorgehen plausibel machen sollen. Für die Menschen in Ebern jedoch klingt das wie die nachträgliche Rechtfertigung eines Prozesses, der längst in Gang gesetzt war. Denn schon im Jahr 2021 hatte man die chirurgische Abteilung geschlossen. Damals sprach man beschwichtigend von einem Zukunftskonzept. Was genau dieses Konzept vorsah, blieb allerdings im Dunkeln. Eine vollständige Veröffentlichung hat es nie gegeben. Bis heute herrscht der Eindruck, dass man die Bevölkerung mit wohlklingenden Schlagworten hinhielt, während hinter den Kulissen längst der Rückzug vorbereitet wurde.
Nicht wenige sehen darin ein kalkuliertes Vorgehen, fast so, als hätte es eine unsichtbare Anleitung gegeben. Zunächst reduziert man schrittweise die Leistungen, schließt Abteilungen, verlagert Verantwortlichkeiten, lässt Versprechen ins Leere laufen. Dann verkündet man, dass es sich nicht um eine Schließung, sondern um eine Umstrukturierung handelt. So klingt es gleich viel freundlicher, beinahe fortschrittlich. Die Rede ist dann von einem Transformationsprozess, von einer Verlagerung der Betten nach Haßfurt, von einer geplanten Kurzzeitpflege im Eberner Gebäude. Nur: Bis heute sind keine zusätzlichen Betten in Haßfurt angekommen, und eine Kurzzeitpflege in Ebern existiert ebenfalls nicht. Doch Versprechen sind geduldig, sie verschaffen Zeit.
Ein weiterer Teil dieser stillen Anleitung scheint das Ignorieren zu sein. Offene Briefe, Petitionen, Protestaktionen – sie werden schlichtweg übergangen. Wer sich beschwert, fühlt sich wie gegen eine unsichtbare Wand laufend. Statt auf Kritik einzugehen, verweisen die Verantwortlichen auf übergeordnete Ebenen, nach Berlin, auf Reformen des Gesundheitssystems, die angeblich keine andere Wahl lassen. In der Öffentlichkeit vermeidet man das Thema so gut es geht, und wenn doch kommuniziert wird, dann in Form von Bildern: Blumenrabatten vor dem Krankenhaus Haßfurt, malerische Sonnenaufgänge über dem Klinikgebäude. Auf diese Weise entsteht eine freundliche Fassade, während die eigentliche Debatte nicht geführt wird.
Für die Region hat diese Entscheidung jedoch weitreichende Folgen. Der Landkreis Haßberge verfügt ab 2026 nur noch über einen stationären Standort, und der liegt in Haßfurt. Die Fahrtzeiten dorthin oder nach Scheßlitz übersteigen jene kritische Marke, die in der Notfallmedizin eine entscheidende Rolle spielt. Wer in Ebern, Pfarrweisach, Rentweinsdorf, Untermerzbach, Maroldsweisach, Breitbrunn, Kirchlauter, Lauter, Mürsbach oder Baunach lebt, muss künftig also mehr Zeit einplanen, um die Hilfe zu erreichen, die früher nur wenige Minuten entfernt war. Dass man dies als Fortschritt verkauft, wirkt auf viele wie eine bittere Ironie. Fortschritt, so wird behauptet, sei in kleinen Häusern nicht möglich, nur große Kliniken könnten auf der Höhe der Zeit arbeiten. Wer daran festhalte, sein lokales Krankenhaus behalten zu wollen, sei rückständig. Es ist ein Argument, das technokratisch klingt, für die Menschen vor Ort aber den Verlust von Nähe bedeutet.
Besonders hart trifft die Schließung die Palliativstation, die bislang in Ebern angesiedelt war und nun nach Haßfurt verlegt werden soll. Für viele Menschen stand diese Station sinnbildlich für das, was Gesundheitsversorgung auch ist: Begleitung, Fürsorge, Menschlichkeit. Gerade hier zeigt sich, dass ein Krankenhaus nicht nur ein wirtschaftlicher Betrieb ist, sondern ein Ort, der Schicksale prägt. In Ebern wurde über Jahrzehnte hinweg geboren, gepflegt, geheilt, auch gestorben. Nun bleibt das Gebäude zwar bestehen, künftig als Facharztzentrum, doch es verliert seinen Charakter als Zufluchtsort in ernsten Lebenslagen.
Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich, wie es dazu kommen konnte, dass ein so wichtiger Schritt am Kreistag vorbeigegangen ist. Dass der Verwaltungsrat des kommunalen Unternehmens allein entscheiden darf, wirkt wie eine technische Formalität, hat aber enorme Auswirkungen auf den Alltag tausender Menschen. Viele fordern deshalb, dass der gesamte Kreistag Farbe bekennen muss. Sie wollen wissen, welche Haltung die gewählten Vertreter haben und ob sie bereit sind, für den Erhalt des Standorts einzutreten. Gerade mit Blick auf die Kommunalwahlen im Jahr 2026 ist diese Frage von besonderer Brisanz. Manche Kreisräte hoffen offenbar, sich durch Schweigen aus der Affäre zu ziehen, um ihre Wiederwahl nicht zu gefährden. Doch Schweigen ist in dieser Sache längst selbst zu einer Entscheidung geworden – und zwar zur Entscheidung gegen Transparenz.
So steht Ebern vor einem Jahresende, das nicht nur ein Kapitel schließt, sondern ein Stück lokaler Identität beendet. Hinter dem nüchternen Wort „Umstrukturierung“ verbirgt sich für viele Menschen schlicht der Verlust. Die Region verliert nicht nur ein Krankenhaus, sie verliert Vertrauen in die politische Aufrichtigkeit und ein Gefühl von Sicherheit, das man im Alltag kaum bemerkt – bis zu dem Tag, an dem es fehlt.
Bild: Ebern Magazin
Die Online-Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/erhalt-der-hassberg-klinik-ebern-und-wiedereroeffnung-der-stationaeren-chirurgie