Der Rhöner als Stimmung: Eine Gebrauchsanleitung zwischen Bratwurst und Bruchbude

Der Rhöner als Stimmung: Eine Gebrauchsanleitung zwischen Bratwurst und Bruchbude
Foto: ChatGPT / künstliche Intelligenz

Der Rhöner. Kein Beruf, keine Nationalität, kein Lifestyle – eine Stimmung. Eine Mischung aus „Lass mal laufen“, „Wird scho passe“ und „Des hab mer schon immer so gmacht“ – konserviert in Asphaltlöchern, Biertischen und einer Dachrinne, die sich seit 2004 bedrohlich neigt.

Wer in die Rhön fährt, glaubt, er mache Urlaub. In Wahrheit fährt man in eine anthropologische Versuchsanordnung mit Braugeruch, in der die Zeit nicht stehen geblieben ist – sie hat sich einfach hingesetzt und ein Bier bestellt.

Zuerst die Bratwurst. Immer.

Ein Rhöner braucht keine Speisekarte, er braucht einen Grill. Die Bratwurst ist nicht bloß Nahrung – sie ist soziale Währung, Gesprächseinstieg und Friedensangebot. „A Wörschd?“ ersetzt hier „Wie geht’s?“ Und wehe, jemand sagt „vegane Alternative“. Dann herrscht erst mal Funkstille – außer beim Schwein, das applaudiert. Würste werden nicht gegessen, sie werden respektiert. Und zwar mit einer Haltung, die irgendwo zwischen Liturgie und lokalem Stolz pendelt.

Die Bruchbude als Lebenskonzept

Der Rhöner lebt gerne „im Eigenen“. Das Problem: Das Eigene zerfällt – gerne dekoriert mit Plastikblumen, einer Satellitenschüssel und einem Hauch Nostalgie. Das Haus hat keine Mängel, es hat Charakter. Die Tapete löst sich nicht ab, sie erzählt eine Geschichte. Und das verlassene Wirtshaus nebenan? Das hat niemand vergessen – das wartet nur auf bessere Zeiten, die dann aber doch keiner will. Bruchbude ist hier keine Beleidigung, sondern eine Stilrichtung. Man nennt es „ursprünglich“, weil „halb abgerissen“ im Tourismusmarketing nicht so gut klingt.

Der Rhöner an sich

Der Rhöner spricht nicht viel. Wenn doch, dann meist in Nebensätzen, die man gefühlt mitschneiden müsste, um sie zu analysieren. Ein „Jo“ kann Zustimmung, Ablehnung oder Weltverachtung bedeuten – je nach Tonfall. Smalltalk funktioniert hier anders. Man redet erst mal eine Viertelstunde über das Wetter, aber in einem Ton, als ginge es um globale Außenpolitik. Und dann kommt der Satz, der alles beendet: „So isses.“ Damit ist das Thema abgeschlossen. Für immer. Keine Rückfragen.

Emotionen werden wie Schnaps behandelt: selten, aber wenn, dann brennt’s.

Der Rhöner ist keine Person. Er ist eine Dauerschleife aus Bratfett, Grantlertum und ländlicher Trotzromantik. Wer ihn verstehen will, muss nicht zuhören, sondern zwischen den Grillstreifen lesen.

Und vor allem: Nichts verändern wollen. Denn das würde nur den Putz von der Fassade lösen – und der hält den Ort noch zusammen.

Fabian Riedner für www.mainfranken.news

Foto: ChatGPT / künstliche Intelligenz

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