LANDKREIS WÜRZBURG – Sibylle Brandt und ihr Hund Remo sind seit fünf Jahren eine unzertrennliche Einheit. Der schokoladenbraune Labrador ist der Assistenzhund der 65-jährigen Veitshöchheimerin und weiß genau: Er muss für seine Partnerin sehen.
Sibylle Brandts Augen haben sich durch eine Netzhauterkrankung so sehr verschlechtert, dass sie nahezu blind ist. Remo gleicht diese Einschränkung durch seine tierischen Fähigkeiten aus, die er in einer speziellen Ausbildung erlernt hat. Er zeigt Treppenstufen, Bordsteine, Ampeln und Zebrastreifen an, hilft beim Einkauf und findet sichere Wege durch den Straßenverkehr. Sibylle Brandt findet dabei Halt an Remos Führgeschirr. Für sie steht fest: „Dieser Hund ist nicht nur mein Begleiter im Alltag. Dieser Hund ist mein Lebensretter.“
Assistenzhunde ermöglichen ihren Halterinnen und Haltern, selbstbestimmt und aktiv am Leben teilzunehmen. Das Assistenzhundegesetz (§ 12e Behindertengleichstellungsgesetz) gibt Menschen mit ihren Assistenzhunden in ganz Deutschland das Recht, allgemein zugängliche Anlagen und Einrichtungen wie Arztpraxen, Krankenhäuser, Friseursalons, Einkaufsläden und die Gastronomie zu betreten – auch wenn dort Hunde sonst verboten sind. Im Alltag stoßen die Halterinnen und Halter noch oft auf Unverständnis oder gar offene Ablehnung. Neben vielen anderen Unterstützern engagiert sich daher der Landkreis Würzburg für mehr Akzeptanz für diese besonderen Vierbeiner und bewirbt sich derzeit offiziell um den Titel als „assistenzhundfreundliche Kommune“.
Noch immer mangelnde Akzeptanz von vierbeinigen Lebensrettern
Assistenzhunde sind treue Begleiter und anerkannte Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Die Einsatzfelder sind vielfältig: Die Vierbeiner unterstützen beispielsweise Blinde, Gehörlose, Gehbehinderte, Menschen ohne Arme oder Kleinwüchsige bei ihren alltäglichen Herausforderungen. Assistenzhunde können aber auch Zuckerkranke vor Schwankungen des Blutzuckerspiegels warnen oder erschnüffeln epileptische Anfälle, noch bevor diese eintreten. Durch ein mehrjähriges Training haben die Tiere gelernt, Alarm zu schlagen oder sogar Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Die Hunde retten ihren Besitzerinnen und Besitzern also das Leben – im übertragenen und oft genug sogar im wörtlichen Sinn.
Umso härter trifft es Sibylle Brandt, wenn sie wegen ihres Hundes negative Erfahrungen macht. Beschimpfungen im Zug, ablehnende Taxifahrer oder Arztpraxen, die den Zutritt verwehren, seien keine Seltenheit, so Brandt. Seit Jahren engagiert sie sich wie auch der gemeinnützige, deutschlandweit tätige Verein Pfotenpiloten mit der Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv“ und dem VdK für mehr gesellschaftliche Akzeptanz der Tiere, die das Leben für viele Menschen wieder lebenswert machen. Und die Initiative hatte Erfolg: 2017 beschloss der Bundestag die Kampagne „Assistenzhunde willkommen“, 2021 trat das Assistenzhundegesetz mit den darin verankerten Rechten für Hundehalter in Kraft.
Das Gesetz ist allerdings vergleichsweise jung und vielen Menschen noch unbekannt. Fabienne Erk, Inklusionsbeauftragte am Landratsamt Würzburg, setzt daher auf klare Zeichen – aber auch auf gegenseitiges Verständnis. „Viele Menschen haben Angst vor Hunden. Genau diese Angst und andere Vorbehalte wollen wir mit der Teilnahme an der Aktion abbauen“, erklärt Erk. Um für das Thema zu sensibilisieren, sind an den Eingängen des Landratsamts in der Würzburger Zeppelinstraße blaue Plaketten mit der Aufschrift „Assistenzhunde willkommen“ angebracht. Dort hängen auch Plakate, die über die Hintergründe der Aktion informieren. „Der Landkreis Würzburg ist geprägt von Vielfalt“, betont Landrat Thomas Eberth. „Deswegen ist es für uns selbstverständlich, dass auch Menschen mit Einschränkung, die auf einen Begleithund angewiesen sind, im Landratsamt herzlich willkommen sind. Mit der Beteiligung an der Aktion der Pfotenpiloten bauen wir weiter Barrieren in unserer Gesellschaft ab und ermutigen Menschen zu echter Teilhabe.“
Weitere Informationen zur Aktion „Assistenzhund willkommen“ sind unter www.pfotenpiloten.de zu finden. Die Aktion wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Aktion Mensch.
Auf den Fotos:
1: Der Landkreis Würzburg bewirbt sich derzeit um den Titel „Assistenzhundfreundliche Kommune“. Die Inklusionsbeauftragte am Landratsamt, Fabienne Erk (von links), der Behindertenbeauftragte des Landkreises, Ernst Joßberger, Sibylle Brandt als Betroffene und Landrat Thomas Eberth werben für die Akzeptanz dieser besonderen Vierbeiner als wichtiges Hilfsmittel für Menschen mit Einschränkungen und chronischen Erkrankungen.
Foto: Christian Schuster
2: „Assistenzhund willkommen“ heißt es neuerdings an den Eingängen des Landratsamts Würzburg. Normalerweise ist Hunden der Zutritt zur Behörde verboten.
Foto: Christian Schuster
