Glaube, Hoffnung und ein Liebesbeweis: „Uhrenkette mit Taschenuhr“ bis 9. November zu Gast im Museum am Dom

Glaube, Hoffnung und ein Liebesbeweis: „Uhrenkette mit Taschenuhr“ bis 9. November zu Gast im Museum am Dom
Bild © Kerstin Schmeiser-Weiß (POW)

WÜRZBURG – Auf den ersten Blick ist der „Fremdgänger“ eine gewöhnliche silberne Taschenuhr, wie man sie eventuell noch von den Großeltern kennt. Befestigt ist sie an einem kunstvoll verzopften Band.

Dann fallen die filigranen Verzierungen am Metallschuber und den Endmontierungen ins Auge, welche die Kette zusammenhalten : jeweils ein Anker, ein Herz und ein Kreuz, gefertigt in schimmerndem Messing auf dunklem Grund. In der Beschreibung steht, dass das Band aus einem ungewöhnlichen Material besteht: „kunstvoll verflochtenes menschliches Haar“. Auf einmal eröffnet sich ein Raum für Interpretationen.

Im Rahmen der Tauschaktion „Kunst geht fremd… und kommt an“ ist die Leihgabe aus dem Henneberg-Museum in Münnerstadt bis zum 9. November im MAD an der Schnittstelle zwischen den Abteilungen „Mensch“ und „Jenseits“ zu sehen. Das MAD verlieh im Gegenzug das Gemälde „Lactatio II“ von Lou Meulenberg alias Anna Bonheur an das Kloster Wechterswinkel.

Ketten aus Echthaar seien im 19. Jahrhundert, aus dem die Uhr stammt, große Mode gewesen, sagt Museumskurator Michael Koller: „Haare sind etwas ganz Persönliches. So war man immer beim Liebsten.“ Es sei üblich gewesen, Locken zu verschenken, ergänzt Christoph Deuter, wissenschaftlicher Mitarbeiter des MAD. Sogar Haarbilder gebe es. „Haare speichern alles über einen Menschen, etwa was er gegessen hat, wie er gelebt hat“, sagt Deuter und vergleicht sie mit einem „Ewigkeitszeichen“. So sei die Entscheidung nahegelegen, die Vitrine für die Taschenuhr genau an der Grenze zwischen den Abteilungen „Mensch“ und „Jenseits“ zu platzieren.

Noch bedeutsamer als die Haarsymbolik sind für Koller die Darstellungen von Glaube, Liebe und Hoffnung auf dem Metallschuber und den Montierungen an beiden Enden der Kette: „Das Herz symbolisiert die Verbindung aus der Ferne. Der Anker ist das Symbol für die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Das Kreuz ist ein Zeichen des Glaubens und des Vertrauens, dass der Liebste in der Ferne behütet ist.“ Bei der Vorstellung der potentiellen Leihobjekte seien sie sich schnell einig gewesen, sagt Koller: „Die Taschenuhr war einer unserer Favoriten.“

Im Gegenzug stellte das Team des MAD das Gemälde „Lactatio II“ von Anna Bonheur (ein Pseudonym von Lou Meulenberg) zur Wahl, das nun im Kloster Wechterswinkel zu sehen ist. Das Bild vereine drei unterschiedliche Zeitebenen, erklärt Koller. Das Original ist ein religiöses Andachtsbild, das den gegeißelten Christus mit der Dornenkrone zeigt, und wurde 1636 von Guido Reni gemalt. „Es wurde über Drucke und gemalte Kopien weit verbreitet.“ Eine dieser Kopien, ein Ölbild aus dem Jahr 1915 von R. Lenglez, wurde wiederum von Anna Bonheur übermalt, verfremdet und in einen neuen Kontext gestellt. Das milchige Weiß der Übermalung schaffe eine Verbindung zur Geburt und zum Leben, erklärt Koller – „Maria lactans“ bezeichne man das Bildmotiv der stillenden Maria. Im Begleitheft heißt es dazu: „Im regen Verwirrspiel all dieser Verknüpfungen und Hinweise eröffnet Bonheur ein verzweigtes Netzwerk an Bezügen und neuen Denkansätzen.“ Im Kloster Wechterswinkel ist das Bild im Kontext der Ausstellung „Auf der Suche nach der zukünftigen Zeit“ von Steffi Mayer zu sehen.

Seit 2011 werden ausgewählte Kunstwerke als „Fremdgänger“ auf Reisen geschickt. In diesem Jahr beteiligen sich 18 Museen in Unterfranken an der Aktion. „Wer mit der Zeit geht, ist offen für Veränderung, für Innovationen und Fortschritt“, heißt es auf der Homepage der Aktion. Die ausgewählten „Fremdgänger“ erzählen von Endlichkeit, Modernität und dem damit verbundenen Lebensgefühl, oder zeigen auch einfach nur die Zeit an und geben ihr so eine Maßeinheit.

Noch mehr Kunst aus und in Museen des Bistums Würzburg

Die Kunsthalle Schweinfurt zeigt im Rahmen von „Kunst geht fremd…“ das Bild „Gotischer Kirchenraum“ aus den Kunstsammlungen der Diözese Würzburg, das sonst im Museum Johanniskapelle in Gerolzhofen ausgestellt ist. Das um 1630 entstandene Tafelbild zeigt einen möglicherweise von der spätromantischen Kirche Sankt Sebald in Nürnberg inspirierten Kirchenraum. Es gewähre einen Blick in einen sakralen Raum, „wie wir ihn heute nicht mehr antreffen“, heißt es im Begleittext. In Gerolzhofen ist derweil ein absoluter Stilbruch zu bewundern: hier ist das Gemälde „Fun XXI“ aus Birgit Jensens Werkserie „Fun“ zu Gast. Die kleinteiligen, eckigen Formen erinnern laut Begleitheft an „verpixelte Computerbilder“. Die Künstlerin sei eine Grenzgängerin zwischen verschiedenen Techniken der Bilderzeugung wie auch zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Gemeinsam sei dem „Fremdgänger“ mit den gotischen Kunstwerken: „Es ist mehr als nur ein kurzes Betrachten nötig, um alles zu erfassen, was zum Ausdruck gebracht wird.“

Veranstaltungstipps zu den „Fremdgängern“

Eine Kuratorenführung zum Gemälde „Lactatio II“ aus dem Museum am Dom bietet das Kloster Wechterswinkel am Sonntag, 3. August, um 16 Uhr an. Die Führung wird geleitet von Kulturmanagerin Dr. Astrid Hedrich-Scherpf. Der Eintritt kostet pro Person fünf Euro, ermäßigt 3,50 Euro.

In der Kunsthalle Schweinfurt findet am Donnerstag, 21. August, um 19 Uhr ein Objektgespräch mit dem Titel „Kunst und Kirche – Kirchenraumdarstellungen im Wandel der Zeit“ mit Leiterin Andrea Brandl statt. Die Teilnahme kostet pro Person neun Euro.

In der Reihe „Art after Work – Die Feierabendführung“ bietet das Kloster Wechterswinkel am Freitag, 10. Oktober, um 18.30 Uhr eine zweite Kuratorenführung mit Kulturmanagerin Hedrich-Scherpf an. Danach können die Gäste bei einem Cocktail ins Gespräch kommen. Der Eintritt kostet pro Person fünf Euro, ermäßigt 3,50 Euro.

Unter dem Titel „Fest verflochten mit Glaube, Liebe, Hoffnung“ steht die „KunstKantine“ im Museum am Dom in Würzburg am Dienstag, 14. Oktober, um 12.30 Uhr. Kurator Michael Koller stellt in der rund halbstündigen Führung den aktuellen „Fremdgänger“ aus dem Henneberg-Museum Münnerstadt vor. Die Teilnahme kostet pro Person einen Euro.

Mehr zum Museum am Dom und eine Veranstaltungsübersicht gibt es im Internet unter www.museum-am-dom.de. Noch mehr „Fremdgänger“ gibt es unter https://kunst-geht-fremd.de/ zu entdecken.

Auf dem Bild © Kerstin Schmeiser-Weiß (POW) | Die Vitrine mit der Taschenuhr steht an der Schnittstelle zwischen den Abteilungen „Mensch“ und „Jenseits“.

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