BAD NEUSTADT / KLEINSTEINACH / LAUDENBACH / RÖDELSEE – Unterfranken ist der am stärksten von jüdischer Geschichte geprägte Bezirk Bayerns. Im Jahr 1933 gab es mehr als 200 jüdische Gemeinden in Bayern – davon befanden sich 115 jüdische Gemeinden im Gebiet des heutigen Unterfranken.
In Bayern sind 124 jüdische Friedhöfe erhalten, davon befinden sich 44 in Unterfranken, 28 in Mittelfranken, 20 in Oberfranken, 20 in Schwaben, 8 in der Oberpfalz, 3 in Oberbayern und einer in Niederbayern.
Deshalb wurden am 9. Juli 2025 auf einer Busrundfahrt sogenannte LEADER-Projekte vorgestellt, die sich auf die jüdische Geschichte im ländlichen Unterfranken beziehen.
LEADER ist das von der EU und vom Freistaat Bayern finanzierte Förderprogramm für die selbstbestimmte Regionalentwicklung nach dem Motto „Bürgerinnen und Bürger gestalten ihre Heimat“, so der LEADER-Koordinator für Unterfranken Daniel Pascal Klaehre.
Neben „Jüdischer Geschichte im ländlichen Unterfranken“ gibt es in LEADER auch noch viele weitere Themenbereiche, wie zum Beispiel Tourismus, Daseinsvorsorge, Natur oder wirtschaftliche Entwicklung. LEADER steht für Liaison entre actions de développement de l’économie rurale – übersetzt: „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt veranstaltete die Busrundfahrt gemeinsam mit dem Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken.
Ziel der Busrundfahrt war es, Teilnehmende dafür zu begeistern, selbst LEADER-Projekte, welche die jüdische Geschichte im ländlichen Raum behandeln, anzustoßen und die Akteure zu vernetzen. Seit dem Jahr 2000 wurden circa 15 solcher LEADER-Projekte umgesetzt. Die meisten LEADER-Projekte mit Bezug zur jüdischen Geschichte gibt es in den Landkreisen Würzburg, Kitzingen, Haßberge und Main-Spessart – am Untermain, im Lkr. Schweinfurt sowie in der Rhön und im Grabfeld gibt es diesbezüglich noch viele weiße Flecken.
An der Busfahrt nahmen 55 Personen teil, vor allem Heimatpflegerinnen und -pfleger oder Ehrenamtliche, die sich mit dem Landjudentum befassen.
Als erste Station wurde das LEADER-Projekt „Sanierung der kulturhistorischen Begegnungsstätte ehemalige Synagoge Laudenbach“ besucht. Die ehemalige Synagoge Laudenbach wurde im Rahmen des Projekts für die Nutzung als kulturhistorische Begegnungsstätte saniert und ausgestattet. Erst kürzlich wurde die Einweihung gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Dr. Schuster, der bayerischen Kultusministerin Stolz und dem Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Dr. Spaenle begangen. Der 1. Vorsitzende des Förderkreises ehemalige Synagoge Laudenbach e.V., Georg Schirmer, berichtete über die konservierende Instandsetzung und gab einen Ausblick auf ein bevorstehendes LEADER-Projekt, dass die Erfassung und Vermittlung des dortigen jüdischen Friedhofs zum Ziel hat.
Daraufhin wurde Kleinsteinach (Riedbach) angefahren. Kleinsteinach war einst die größte jüdische Gemeinde im Bereich des heutigen Landkreises Haßberge – der zahlenmäßige Höchststand war in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als 42 % der Bevölkerung jüdisch waren.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten jüdische Familien zahlreiche für das wirtschaftliche Leben im Ort wichtige Geschäfte und Läden, darunter Textilgeschäfte mit Schuhwaren, zwei Viehhandlungen, zwei Rindsmetzgereien, eine Pferdehandlung, eine Herrenschneiderei, eine Fellhandlung, ein Schuhgeschäft und ein Kolonialwarengeschäft. Kleinsteinach ist ein Beleg für das jahrhundertelange, enge und gute Miteinander von jüdischen und christlichen Dorfbewohnern.
Vor Ort wurde von Birgit Bayer und Gerlinde Memmel vom Arbeitskreis „Landjudentum Kleinsteinach“ durch das Museum „Jüdische Lebenswege“ und entlang eines Dorfrundgangs geführt. Die Konzeption der Ausstellung und des Dorfrundgangs sowie Exponate und Rundgangtafeln wurden über LEADER bezuschusst.
Zuletzt wurde der jüdische Friedhof in Rödelsee im Landkreis Kitzingen angefahren. Bislang gab es drei LEADER-Projekte zu diesem Ort, die zum einen die Dokumentation und Vermittlung der Grabsteininschriften und die Vernetzung mit anderen Friedhöfen in der Region zum Ziel hatten, wie auf www.juedischer-friedhof-roedelsee.de nachvollzogen werden kann. Außergewöhnlich ist auch die LEADER-geförderte Friedhofsvorplatzgestaltung, die es durch Besteigen einer Empore oder das Betrachten eines Tastmodells in Bronze ermöglicht, den Friedhof zu erleben, ohne ihn zu betreten. Die 1. Vorsitzende des Fördervereins ehemalige Synagoge Kitzingen e.V., Margret Löther, berichtete von der Umsetzung der drei LEADER-Projekte.
Zum Ausklang kamen die Teilnehmenden in einer Wirtschaft in Rödelsee zusammen.
Auf den Fotos:
- Georg Schirmer vom Förderkreis ehemalige Synagoge Laudenbach in der ehemaligen Synagoge Laudenbach (Bildnachweis: Theresia Dietz)
- Birgit Bayer vom Arbeitskreis „Landjudentum Kleinsteinach“ demonstriert im Museum anhand einer historischen Dorfkarte, wo jüdische und christliche Dorfbewohner lebten (Bildnachweis: Theresia Dietz)
- Gerlinde Memmel vom Arbeitskreis „Landjudentum Kleinsteinach“ verdeutlicht beim Dorfrundgang, wo jüdische Dorfbewohner gelebt hatten (Bildnachweis: Theresia Dietz)
- Margret Löther vom Förderverein ehemalige Synagoge Kitzingen (Bildnachweis: Daniel Pascal Klaehre)
- Die beiden Organisatoren der Busrundfahrt an der letzten Station in Rödelsee (v.l.n.r.): Daniel Pascal Klaehre, LEADER-Koordinator für Unterfranken, und Dr. Riccardo Altieri, Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums (Bildnachweis: Theresia Dietz)




