SCHWEINFURT – Seit mehr als 5 Monaten läuft das Stadtbuskonzept 2.0 in der Stadt Schweinfurt „unrund“, und der Chor unzufriedener Busnutzer, die zahlreich berechtigte Kritikpunkte an diesem neuen Stadtbuskonzept äußern, ist unverändert groß und vielstimmig.
Hinzu kommt, für die meisten Bürger auf den ersten Blick nicht ersichtlich: Das neue Stadtbuskonzept 2.0 ist teuer, sehr viel teurer als das bisherige Bussystem. Behauptet Stadträtin Dr. U lrike Schneider von der Initiative ZUKUNFT/ödp.
Weniger Leistung bei höheren Kosten
„Auf der einen Seite wurden ca. 130 Fahrten für die Busnutzer gekürzt, auf der anderen Seite stehen die Busse neuerdings rund 60 Stunden pro Werktag an den neuen Endhaltestellen“, führt Dipl.-Ingenieur und Busvielfahrer Hartmut Bach aus. „Aufgrund der neuen Standzeiten werden nun zusätzliche Busfahrer benötigt und die Standzeiten sind auch vollumfänglich zu bezahlen“, merkt Bach kritisch an.
Seinen Berechnungen zufolge werden aufgrund des neuen Stadtbuskonzeptes 2.0 ca. 10 zusätzliche Busfahrer benötigt, was sich zu Mehrkosten von rund einer halben Million Euro pro Jahr summiert – eine Berechnung, die von den Verkehrsbetrieben anlässlich der ÖPNV Veranstaltung am Bergl im Wesentlichen bestätigt wurde. „Ein Schildbürgerstreich: Es entstehen eklatante Mehrkosten für nicht fahrende, herumstehende Busse, von denen kein Bürger oder Busnutzer irgendeinen Nutzen hat“, bemängelt auch Dipl.-Ingenieurin Ines Bender, die sich eingehend mit dem Nahverkehrsplan 2022 für Stadt und Landkreis Schweinfurt auseinandergesetzt hat.
Die Ist-Analyse des Nahverkehrsplans zeige, dass das alte Bussystem von überdurchschnittlich vielen Menschen genutzt wurde und seine Angebotseffizienz ebenfalls überdurchschnittlich gut war. Daher solle im Falle einer Neuordnung des ÖPNV das alte Bussystem als die Basis dienen, auf der Angebotsverbesserungen zielgerichtet vorgenommen würden (NVP 2022, S. 228, S. 266).
Teilweises Konterkarieren des Nahverkehrsplans
Die Einführung der umstrittenen Endhaltestellen geht tatsächlich auf im Nahverkehrsplan formulierte Grundprinzipien zurück: Bildung von Durchmesserlinien, die über den Rossmarkt hinausführen, Einführung tagesdurchgängiger Bus-Takte und die Einrichtung von Endhaltestellen mit Pufferzeiten, um die vorgenannten Prinzipien überhaupt umsetzen zu können (NVP 2022, S. 330, S.332). Dass diese Grundprinzipien von den Verantwortlichen allem Anschein nach ohne vorherige Betrachtung der personellen und damit verbundenen finanziellen Auswirkungen auf die Nahverkehrskosten eingeführt wurden, stört Bender gewaltig.
Zudem würden die Stadtwerke stets die mangelhafte Pünktlichkeit der Busse als maßgeblichen Grund für die komplette Umstrukturierung des Bussystems anführen und benennen diese Pünktlichkeit bei 65 % liegend. Diese Zahl wiederum gibt der Nahverkehrsplan nicht her: Er weist eine jährliche Pünktlichkeit von 84 % über alle Linien aus (NVP 2022, S. 262). „Wenn von den Verkehrsbetrieben nun eine durchschnittliche Pünktlichkeit von gut 80 % angepeilt wird, bedeutet dies lediglich die Annäherung an ein in der Vergangenheit längst erreichtes Niveau“, so Benders Fazit.
Mehr Rücksicht auf Senioren
Der Nahverkehrsplan nimmt auch die Struktur der Busnutzer in den Blick und führt aus, dass die Senioren in Zukunft die einzige größenmäßig wachsende Nutzergruppe seien. Um sie als Busnutzer zu gewinnen und zu halten, müsse man ihre Bedürfnisse besonders im Blick haben (NVP 2022, S. 219, S. 323). Dass mit der Einführung des neuen Bezahlsystems SWeasy, der Abschaffung der FlexiCard im Schweinfurter Bussystem und dem zwischenzeitlichen Wegfall so mancher behindertengerechten Bushaltestelle das genaue Gegenteil passiert sei, stört Stadträtin Ulrike Schneider sehr.
Sehr viele ältere Menschen kämen mit dem Ein- und Auschecken im Bus gar nicht zurecht, hätten ohne App und Smartphone auch keinen Zugriff auf vergünstigte Fahrscheine und wendeten sich vom Busverkehr ab, gibt Stadträtin Ulrike Schneider die zahllosen Zuschriften und Anrufe von Senioren wieder, die sie erreichen. Dabei schreibe der NVP eigentlich verbindlich vor, dass der Vertrieb des Fahrscheinsortiments auch in den Busfahrzeugen durch das Fahrpersonal sicherzustellen sei (NVP 2022, S. 292), so Schneider.
„Eine Stadt im 21. Jahrhundert muss dafür sorgen, dass die Nutzung des ÖPNV auch und gerade für ihre älteren Mitbürger angenehm und angstfrei funktioniert“, so Schneiders Forderung. Wenig Verständnis hat sie dabei für Manager, die sich von Fachverbänden für die „progressive“ Digitalisierung auszeichnen ließen und Fahrgastinformationen künftig durch Instagram-Beiträge „zielgerichtet“ vermitteln wollen (SW Journal 1/2025, S. 17), während der Unmut der real existierenden Klientel (= die städtischen Busnutzer) geradezu an eine Wand pralle.
Verlagerung von Haltestellen überflüssig und teuer
Die Vielzahl der zu verlagernden und neu einzurichtenden Haltestellen koste sehr viel Geld, so Bender kritisch. „Laut schriftlicher Kostenschätzung der Stadtwerke fallen etwa 20.000 Euro für die Verlagerung einer einzigen Haltestelle an – und das ohne Bushäuschen“, warnt die Ingenieurin. „Es gibt – bis auf den neuen Stadtteil Bellevue – laut Nahverkehrsplan nahezu keinen Handlungsbedarf für die Versorgung der Stadtteile mit Buslinien und Haltestellen, die Stadt verfügt vielmehr über das dichteste Haltestellennetz Deutschlands (NVP 2022, S. 248ff). Daher sind die ganzen Umgestaltungen mit den zahllosen neuen Haltestellen unnütz“, so Bender. „Die Zeche zahlen am Ende wohl die Strom- und Gaskunden der Stadtwerke, da sie durch ihre Erträge das Minus des ÖPNV ausgleichen!“
Mehr Leben für die Innenstadt
Ein weiterer Aspekt für die Rückkehr zum alten Bussystem ist die Attraktivität der Schweinfurter Innenstadt, die dringend einer Belebung bedarf statt einer weiteren Verödung. Mit der Verlagerung der Bushaltestellen für die Linien Deutschhof / Hochfeld-Steinberg / Schonungen / Hausen weg vom Marktplatz gingen diesem mit seinen Cafés, Marktständen und Apotheken ganze Besucherströme verloren, was für die Geschäftsinhaber einen großen Nachteil darstelle, so Schneider. Und auch am Rossmarkt profitierten in der Vergangenheit die Geschäfte von der ganztägigen Belebung und den großzügigen Umsteige-Intervallen. Heute ist der Rossmarkt die meiste Zeit verwaist, lediglich zu den Taktungszeiten hetzen die Fahrgäste umher, ohne auch nur eines der Geschäfte zu betreten.
Fazit
Der wichtigste und eklatanteste Kritikpunkt am neuen Stadtbussystem 2.0 ist und bleibt aber das Missverhältnis von Kostensteigerungen in Millionenhöhe bei gleichzeitigen Fahrtenreduzierungen, wie Bach, Bender und Schneider zusammenfassend darstellen:
„Es hilft hier kein kosmetisches Feilen an der ein oder anderen Schwachstelle. Nur mit einer Abkehr vom neuen Stadtbussystem 2.0 mit seiner Taktung können wir die unsinnigen Endhaltestellen, die langen Standzeiten und damit die immense Verteuerung des Systems rückgängig machen.“ Nun hoffen Bach, Bender und Schneider, dass sich Stadtrat und Stadtverwaltung fundiert mit dem Nahverkehrsplan und seinen Erkenntnissen auseinandersetzen und den Mut haben, die Weichen erneut zu stellen – im Sinne der Bürger und im Sinne der städtischen Finanzen. Einen entsprechenden Antrag hat die Initiative ZUKUNFT.ödp gestellt.
Und auch Herr Hrnjak von den Verkehrsbetrieben hatte bei der Bürgerversammlung am Bergl anklingen lassen, dass sein Herz nicht an der Neuordnung des Stadtbussystems hänge, dass er die Schwächen des strikten Taktungs-Korsetts sowie die gravierenden Nachteile der Endhaltestellen anerkenne. Er sei zu einer Rückkehr zum früheren Bussystem bereit, sofern dies durch die Verantwortlichen der Stadt beauftragt würde.
Im Juli 2025 wird eine erneute Bürgerversammlung stattfinden als Vorbereitung der nächsten konkreten Schritte.
Das Foto zeigt Hartmut Bach, Dr. Ulrike Schneider und Ines Bender.