BERLIN / MAINFRANKEN – Laute Rufe hallen aus Megafonen, Bengalos werden gezündet und Farbbeutel geworfen: Mit Tiermasken, Warnwesten und Protestschildern haben heute rund 25 Unterstützende der Tierrechtsorganisation PETA vor dem Bundestagsgebäude in Berlin einen Warnstreik veranstaltet. „Tierfreie Landwirtschaft jetzt!“, so die Forderung auf einem großen Banner.
Anlass der Aktion: Heute hat PETA einen Ausstiegsplan veröffentlicht, der anhand konkreter Schritte aufzeigt, wie eine Agrarwende zur tierfreien Landwirtschaft gelingen kann. Ein solcher Umstieg ist laut der Tierrechtsorganisation zwingend notwendig, um nicht nur Tiere, sondern auch Menschen, insbesondere zukünftige Generationen, und die Umwelt zu schützen. Der Plan wurde heute Morgen an das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMELH) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) geschickt. PETA fordert eine zeitnahe Umsetzung der Maßnahmen.
Auf dem Bild: PETA demonstriert vor dem Bundestag für eine tierfreie Landwirtschaft / © PETA Deutschland e.V.
„Die tierhaltende Landwirtschaft ist ein Relikt vergangener Zeiten und hat katastrophale Auswirkungen auf Tiere, unsere Umwelt und uns Menschen. Sie geht mit extremem Ressourcenverbrauch und Biodiversitätsverlust einher. Mit dem Ausstieg aus der Tiernutzung würde irrationale Verschwendung beendet und schon immer vorhandene Potenziale könnten gehoben werden“, so Julia Weibel, Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie bei PETA. „Das wird kein Spaziergang: Für eine Landwirtschaft, die wirklich gut für alle ist, muss im wahrsten Sinne des Wortes geackert werden. Aber sie ist definitiv möglich. Den Weg zeigt unser Ausstiegsplan. Nun ist es Aufgabe der Politik, die Tiernutzung nicht weiter mit staatlichen Geldern zu fördern und ihre zerstörerischen Folgen nicht länger zu verschleiern!“
Die Probleme der Tierwirtschaft
Die tierhaltende Landwirtschaft hat mehr Treibhausgase zur Folge als der gesamte weltweite Verkehrssektor. Hinzu kommt ein rasantes Artensterben, befeuert durch Pestizide und Monokulturen. Zudem beansprucht der Anbau von Tiernahrung enorme landwirtschaftliche Anbauflächen. Der Druck auf die heimischen Äcker nimmt sogar zu, denn Soja-Importe aus Südamerika zur Verwendung für Tiernahrung stehen in Verruf und sind rückläufig. Gründe dafür sind unter anderem die Regenwaldabholzung, der Biodiversitätsverlust und die Verdrängung der einheimischen Bevölkerung.
Und nicht zuletzt verursacht die Tierindustrie massives Tierleid in Mast- und Zuchtanlagen, auf Transporten und in Schlachtbetrieben. Allein in deutschen Schlachthöfen werden jedes Jahr rund 750 Millionen fühlende Lebewesen getötet.
Die Lösung: PETAs Ausstiegsplan
PETA hat die Entwicklung des Ausstiegsplans aus der Tierwirtschaft bei Martin Müller, dem Gründer der Initiative und des Portals „landwirtschaft.jetzt“, in Auftrag gegeben und das Konzept miterarbeitet. Müller ist Träger des „Diploma of Higher Education in Physics and Natural Sciences“ der Open University UK sowie Diplombetriebswirt und Wirtschaftsinformatiker. Der Ausstiegsplan fasst die ökologischen, ökonomischen und sozialethischen Probleme der heutigen Landwirtschaft zusammen. Er stellt Möglichkeiten für den veganen Ökolandbau vor, eine Landwirtschaftsform ohne Tierhaltung oder Nutzung von tierischen und chemischen Düngemitteln sowie Pestiziden und Monokulturen. Zudem präsentiert der Plan eine alternative Nahrungsmittelproduktion (wie nicht landverbrauchende Produktionsmöglichkeiten) und unterbreitet eine Strategie für den Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Für einige der vorgeschlagenen Maßnahmen müssen Gelder in die Hand genommen werden, bei anderen werden massiv Kosten eingespart. Wiederum andere wirken allein durch veränderte Regelungen und Rahmenbedingungen.
Die Chancen, die sich mit einer Landwirtschaft ohne Tierhaltung ergeben, gehen weit über die Reduktion von Treibhausgasen hinaus und sind enorm:
Direkte Emissionen in Höhe von mindestens 113 Megatonnen CO₂-Äquivalenten können pro Jahr eingespart werden.
Alle inländischen Grünflächen (4,9 Millionen Hektar) und alle ausländischen Flächen, auf denen Tiernahrung angebaut wird, (mindestens 2,7 Mio. ha) werden frei und können für Renaturierungen genutzt werden. Damit ergeben sich über die Wiedervernässung von Mooren und Aufforstungen Sequestrierungspotenziale in Höhe von 97 Megatonnen CO₂-Äquivalenten pro Jahr.
Die Biodiversität kann wiederhergestellt werden, indem die freigewordenen Flächen renaturiert, eutrophierende Gülleeinträge und der Pestizideinsatz auf null gesetzt und Emissionen versauernder Gase und der Wasserverbrauch deutlich reduziert werden.
Indem Deutschland sich unabhängig von Tiernahrungsimporten macht und sich aufgrund des geringeren Flächenverbrauchs weitgehend autark versorgt, kann Versorgungssicherheit aufgebaut und können geopolitische Abhängigkeiten abgebaut werden.
Beiträge zur Reduzierung der Gefahr von Pandemien und Antibiotikaresistenzen werden geleistet.
Langfristig können die Tierhaltungssubventionen in Höhe von mindestens 13 Milliarden Euro pro Jahr entfallen bzw. sinnvoller für vegane Ökolandwirtschaft und andere Alternativen eingesetzt werden.
Der prognostizierte, unausweichliche System- und Strukturwechsel kann gesteuert ablaufen, sodass es nicht zu Masseninsolvenzen und damit gesellschaftlichen, politischen und sozialen Verwerfungen kommt.
Nicht zuletzt profitieren die sogenannten Nutztiere davon, nicht mehr für die Landwirtschaft ausgebeutet zu werden, und die Wildtiere von dem Schutz ihres natürlichen Lebensraumes.
Studie „Landwirtschaft neu denken“
Im vergangenen Jahr wurde die von PETA beauftragte Studie „Landwirtschaft neu denken“ veröffentlicht. In dieser wird untersucht, wie das Ernährungssystem zukunftssicher transformiert werden kann. Die Autoren der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin haben darin Szenarien entwickelt, die aufzeigen, wie der vegane Ökolandbau das Agrarsystem verändern könnte.
PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.