Das ewige Thema Stadtbusnetz 2.0: „Man kann das nur als Schildbürgerstreich bezeichnen!“

Das ewige Thema Stadtbusnetz 2.0: „Man kann das nur als Schildbürgerstreich bezeichnen!“

SCHWEINFURT – Auch wenn es um das Thema inzwischen ruhiger wurde: Die Umstellung des Schweinfurter ÖPNV zum Busnetz 2.0 sorgt trotzdem noch immer für Bemühungen, den dafür verantwortlichen Stadtwerken klar zu machen, dass längst nicht alle Fahrgäste zufrieden sind mit dem, was neu wurde ab 2025.

Neben dem Anschluss an den Nahverkehrsverbund Mainfranken (NVM) und der Digitalisierung via SWeasy ist es vor allem das neue Liniennetz mit seinen Endhaltestellen, das nach wie vor für Unruhe und Unmut sorgt. Die Initiative ZUKUNFT.ödp hat sich daher mit Hilfe von Experten an die Arbeit gemacht und einen Abgleich des alten und des neuen Systems vorgenommen, um herauszufinden, ob die Umstellung der Fahrlinien der Weisheit letzter Schluss war…

Die Ergebnisse der Analyse wurden nun von Dr. Ulrike Schneider und von Hartmut Bach vorgestellt, einem Ingenieur, der sich schon immer mit Buslinien beschäftigt hat. Seine Ansicht lautet: „Man kann das nur als Schildbürgerstreich bezeichnen!“

Bei einem Pressegespräch nun ging es nicht um die Tarife oder um die neuen Bezahlmöglichkeiten, sondern rein um den Fahrplan. Die Verkahrsbetriebe der Stadtwerke Schweinfurt verweisen auf den Stadtrat, der die Umstellungen beschlossen habe. Und deshalb fordert Stadträtin Dr. Schneider umfassende Änderungen zu beantragen, die bis zur Maximalforderung „Gehe zurück auf Los“ und der Rückkehr zum alten Fahrplan reichen.

Warum? Weil Hartmut Bach errechnet hat, dass das neue System zumindest für keine Kostenersparnis sorgt, obwohl rund 20 Prozent der bisherigen Fahrten gestrichen wurden. Was in erster Linie daran liegt, dass sich die Fahrzeiten verlängerten und vor allem die Fahrer wohl im Wert einer jährlichen halben Million, pro Monat rund 50.000 Euro, täglich über 50 Stunden für so genannte Fahrtausgleichzeiten voll bezahlt werden, obwohl sie an Endhaltestellen warten müssen, bis sie wieder zurückfahren können, damit am Roßmarkt zum Ziel der gleichzeitigen halbstündigen Ankunft und Abfahrt die Busse eintreffen und auf den nun verbindenden Linien zügig wieder weiter kommen.

Weitere Nachteile der Umstellungen sind, dass nur noch eine von bislang drei Linien den Marktplatz anfährt, dieser mit Kunden weit weniger belebt werden kann wie genauso der Roßmarkt. Denn bislang gab es dort Wartezeiten, ideal nutzbar für die Fahrgäste für Einkäufe. Nun halten die Busse nur ganz kurz und fahren gleich wieder weiter. Ein eigenes Thema ist die Verlegung zahlreicher Haltestellen.

„Das alte System lief fast 50 Jahre ohne Beschwerden. Die Nutzer waren zufrieden“, sagt Bach. „Es gibt nach wie vor viel Kritisches und Negatives“, ergänzt Dr. Schneider, die von einigen langen Gespächen mit den Verantwortlichen spricht, die jedoch nicht auf ihre Anregungen eingehen, die zudem Fragenkataloge nicht beantworten. Zudem seien jüngst eingereichte Unterschriftenlisten verschwunden. Die Bewohner mehrerer Stadtteile und Orte haben mobil gemacht, um Verbesserungen zu erreichen.

Schuld an dem offensichtlichen Dilemma hat das „30 Minuten-Korsett“, wie es Dr. Schneider nennt. Also das Ziel, dass jede halbe Stunde 18 Busse sich am Roßmarkt treffen und gleich wieder abfahren. Das sorgt einerseits für Druck, andererseits für die bezahlten Ruhepausen an diversen Endhaltestellen, wenn Busse das 30 Minuten-Ziel durch einen zu langen Rückweg nicht erreichen können und daher warten müssen. Um eben dann zur nächsten halben Stunde anzukommen.

„Die Nettofahrzeiten sind im alten wie im neuen System in etwa gleich geblieben, obwohl über 100 Fahrten weggefallen sind“, wundert sich Dr. Ulrike Schneider.

„Mit dem alten System könnten die Stadtwerle sieben Busfahrer am Tag zuhause lassen“, hat Hartmut Bach errechnet. Einsparungen wären also möglich angesichts der im Vergleich zu einst reduzierten Fahrten. Mit dieser Kostenersparnis könnten wenigstens Strom- und Gaskunden der Stadtwerke entlastet werden, glauben die Kritiker des Stadtbusnetzes 2.0. Das aber sei wohl nicht der Fall. Jedenfalls fehlen darauf die Antworten des Fragenkatalogs.

Hier noch die Pressemeldung der Initiative ZUKUNFT./ödp:

Stadtbussystem 2.0: Experte spricht von Schildbürgerstreich – Initiative ZUKUNFT.ödp fordert Umkehr

SCHWEINFURT – Zur hindernisreichen Anbindung des Schweinfurter ÖPNV an den Nahverkehrsverbund Mainfranken und zur gleichzeitigen Umstellung auf das digitale Bezahlsystem SWeasy hat die Initiative ZUKUNFT.ödp bereits kritisch Position bezogen und bleibt auch Wochen später dabei: „Die Neuaufstellung des ÖPNV in Schweinfurt hängt alte und analoge Menschen förmlich ab und ist damit unsozial“, so Stadträtin Ulrike Schneider.

Stadtbus 2.0 – ein teurer Schildbürgerstreich

Eine neue Dimension erreicht die Kritik nun aber im Hinblick auf das neue Liniensystem – die Umstellung auf Direktlinien, die Verlagerung von Haltestellen das Einrichten der Endhaltestellen. Nachdem ein von Schneider eingereichter Fragenkatalog weder von der Stadt noch von den Stadtwerken beantwortet wurde, hat man mit Hilfe von Experten eigene Recherchen angestellt, um das neue Bussystem mit dem alten abzugleichen und zu einer eigenen Bewertung zu kommen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während im Saldo über 100 Fahrten gestrichen wurden und damit die Fahrthäufigkeit auf bestimmten Linien bis zu 36% reduziert wurde, leiste man sich gleichzeitig Stillstandzeiten von über 50 Stunden pro Tag. Wenn bedingt durch die langen Wartezeiten an den Endhaltestellen im Schnitt sieben Busfahrer pro Tag für Stillstand bezahlt werden müssten, sei das eine suboptimale Regelung“, so Hartmut Bach, Ingenieur und seit Jahrzehnten intensiv befasst mit ÖPNV Fahrplänen.

Seinen Berechnungen zu Folge kämen so allein für die Wartezeiten an den Endhaltestellen pro Monat an die 50.000 Euro Kosten für die Stadtwerke zusammen – für Stillstand. „Es kann nicht sein, dass das Fahrangebot signifikant reduziert wird und man sich gleichzeitig wegen des Stadtbussystems 2.0 solche Kosten einhandelt – und das Ganze begleitet von nachvollziehbarer Unzufriedenheit der Fahrgäste sowie auch der Busfahrer“, so Bach. „Die Umstellung stellt für alle Beteiligten einen Nachteil dar und wird doch nach wie vor als Fortschritt beworben – ein teurer Schildbürgerstreich!“, so Hartmut Bach.

Rückkehr zum alten System

Aus diesem Grund fordert die Initiative ZUKUNFT.ödp die Rückkehr zum alten System. „Der straffe 30 Minuten Takt ist ein enges Korsett, in das man Stadt und Landkreis gepresst hat. Während das alte System für die Kunden ziemlich maßgeschneidert war, passt es nun vorne und hinten nicht – eine Zumutung für Fahrgäste und auch Busfahrer, so Ulrike Schneider.

Eine Rückkehr zum alten System würde viele Probleme lösen:

  1. Die Beschwerden der Anrainer an den Endhaltestellen, wo die Busse bei laufendem Motor bis zu 35 Minuten lang stehen,
  2. die sinnlosen Wartezeiten der Busfahrer an Endhaltestellen ohne Infrastruktur und Toiletten,
  3. die vor allem für Senioren schwierige Verlegung oder Einstellung von Haltestellen, die wie in Schonungen zuweilen ganze Viertel abhängen,
  4. die Wiederbelebung des Marktplatzes und damit Stärkung der Innenstadt durch drei Buslinien.

„Es gibt in meinen Augen keinen einzigen triftigen Grund, der gegen eine Rückkehr zum alten System spricht. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Stadtwerke eine Menge Geld sparen würden – sowohl was den unnötigen Fahrereinsatz als auch die unnötigen Kosten für Haltestellenverlagerungen anbelangt“, so Ulrike Schneider. Ihr liegt ein Kostenvoranschlag für circa 19.000 Euro pro Verlagerung (ohne Bushäuschen) vor.

Mehr Achtung vor den Bürgern

Im übrigen erinnert Schneider daran, dass die Stadtwerke als 100% Tochter der Stadt ein wichtiger Teil der kommunalen Daseinsvorsorge seien. Über sie stellt die Kommune Dienstleistungen für alle BürgerInnen bereit. Wenn sich diese Bürger nun mit klar formulierten Wünschen an die Stadt bzw. die Stadtwerke wenden, könne es nicht sein, dass von Bürgern überreichte Unterschriftenlisten unbeantwortet in Schubladen oder im Papierkorb landeten.

Auch die Reaktion auf den im Zusammenhang mit dem Busliniennetz 2.0 eingereichten Fragenkatalog sei nicht in Ordnung. Sie habe als Stadträtin und Aufsichtsrätin das Recht auf Auskunft.

Image-Schaden für den ÖPNV

„Diese Reform ist unausgegoren, unsozial, altersdiskriminierend, wenig innenstadtfreundlich und am Ende ohne ökologischen Nutzen, da keine neuen Fahrgäste gewonnen werden, eher alte verloren gehen. Wir müssen dringend nachjustieren“, so die Forderung der Initiative ZUKUNFT.ödp.

1 Comment

  1. Charlie

    Nanu 🤔
    Werden hier Kommentare, die der Erstellerin nicht gefallen wieder gelöscht?
    Meine Frage dazu, wo denn bitte die Busse 35 Minuten an den Endhaltestellen stehen war gerechtfertigt.

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