SCHONUNGEN – Der Januar stand ganz im Zeichen der endlosen Diskussionen um das neue Streckennetz der Schweinfurter Stadtbusse, der Tarife, Bezahlmöglichkeiten, verlegte Haltestellen und und und. Eine Gemeinde im Landkreis und viele Bürger eines Ortes sind besonders betroffen. In diesem einen und konkreten Fall: Abgehängt!
„Wir sind lahm gelegt“, drückt es Horst Selsam aus und spricht dabei für so viele Schonunger, bestimmt gut ein Drittel aller, die oben auf dem Berg wohnen. Bis Ende letzten Jahres fuhr dort der Bus regelmäßig auf einer Linie mit fünf Haltestellen, die gerade für die zahlreichen Bürger oben, die schon 70, 80 Jahre alt oder noch älter sind, eine Bedeutung hatten.
Seit 1. Januar fährt der Bus nicht mehr den Schrotberg entlang, an dem die Selsams wohnen. Er ist 87 Jahre alt, seine Frau Josefine gar 88. Vor 13 Jahren „flüchteten“ die beiden zu Beginn der Sanierungsmaßnahmen der Sattler-Altlasten aus diesem Gebiet nach oben in eine Wohnung. Um mehr Ruhe zu haben. Aber auch weil es eben dort einen vorbei fahrenden Bus gibt. Also: Gab.
Horst hatte sich gedanklich schon daran gewöhnt, seinen Führerschein abzugeben. „Jetzt muss ich aber weiter fahren“, sagt er und schaut dann seine Frau an, die fragt: „Wie soll ich sonst nach Schweinfurt zum Arzt, zur Fußpflege oder zum Einkaufen kommen?“ So richtig gut zu Fuß ist Josefine nicht mehr. Klar kann sie weiter Bus fahren, muss dann aber im Ortskern in der Haupstraße zu- und aussteigen. Wer das Gebiet kennt, der weiß: So viele Treppen und steile Straßen können eigentlich nur sportliche, jüngere Leute belaufen. Schon gleich hochwärts und mit Einkaufstaschen.
Dass Josefine Selsam früher am Marktplatz in Schweinfurt ausstieg, es dort diesen Halt nicht mehr gibt, ist wieder ein anderes Thema. „Da war ich neulich – und außer mir nur ein paar Tauben…“ Würde sie nun am Markt einkaufen und mit dem Bus nach Hause fahren wollen, müsste sie am belebten Rusterberg zusteigen. Belebt: Mit Autos. „Der Benzingeruch war für mich schon immer ein rotes Tuch“, sagt sie in Erinnerung an Zeiten, als die Haltestelle am Markt zur Vorweihsnachtszeit verlegt war.
Busfahren kommt für das Ehepaar nicht mehr in Frage, das bereits den Tod ihres Sohnes betrauern musste, das keine Angehörigen hat für Fahrdienste. Also muss Horst weiter ran. „Der Bus vor der Türe war an sich unsere Altersversicherung“, klagt er. Und wundert sich, dass die Linie nun bis ins Gewerbegebiet und zu Aldi und Edeka führt. Dort einkaufen würden die beiden schon gerne. Aber wie sollen sie zum Bus kommen, der sie dorthin bringen würde?
„Noch fühle ich mich relativ sicher“, sagt der 87-Jährige, der früher viel Sport trieb: Turnen, Fußball, Tischtennis… „Seit 30 Jahren schwimme ich, seit einem Jahr aber ist es mehr ein Baden.“ Die Kraft lässt nach. Kein Wunder. Autofahren aber muss er noch. Also: Jetzt wieder!
Josefine hat ein bisschen Angst davor, „falls mein Mann mal ins Krankenhaus muss. Für mich wäre das dann eine Halbtagesfahrt, um ihn besuchen zu können.“ Weil sie auch nicht am Schweinfurter Marktplatz umsteigen könnte, so wie früher, sondern bis zum Roßmarkt müsste auf dem Weg zum Leopoldina.
Das alles ist verzwickt. Dabei waren es früher für die Selsams gerade mal rund 200 Meter bis zu einer Bushaltestelle, die ihnen ganz oft am Tag den Weg ins Leben ermöglichte. Im Übrigen haben beide auch kein Smartphone und somit keine Möglichkeit, über ein App nach günstigen Bustarifen zu suchen. Aber – und damit schließt sich der Kreis – das müssen sie nun ja auch nicht mehr.
„Wenn halb so viele Busse wie früher fahren würden, dann reicht uns das ja auch schon“, sagen beide. Doch ob die Linie nach oben noch mal zurück kommt? Und ob für die Selsams oder die zahlreichen anderen der über 80-Jährigen auf dem Schonunger Berg das Ruf-Taxi „Call Heinz“ nun in Frage kommt oder ein Angebot der Malteser, die Bürger alle 14 Tage zum Einkaufen abholt, das wird nun die Zeit zeigen.
Unser Bild zeigt von rechts die Schweinfurter Stadträtin Dr. Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft./ÖDP, Josefine und Horst Selsam an der Haltestelle „Kreuzbergring“, die es seit 1. Januar nicht mehr gibt. Dr. Schneider kontaktierten die Selsams in ihrer Not, weil sie genau wissen, dass sich die Stadträtin für die Bürger einsetzt.