Endlos-Diskussion im Schweinfurter Stadtrat zum Thema Stadtbus: Verbesserungen – ja oder nein?

Endlos-Diskussion im Schweinfurter Stadtrat zum Thema Stadtbus: Verbesserungen – ja oder nein?

SCHWEINFURT – In der mit Spannung erwarteten Sitzung des Schweinfurter Stadtrats am Dienstagnachmittag stand – nach der Vereidigung von Marion Both als neue SPD-Stadträtin und Nachfolgerin von Julia Stürmer-Hawlitschek – der Haupt-Tagesordnungspunkt an: „Aktuelle Information zum ÖPNV“.

Selten wurde in und um Schweinfurt mehr diskutiert als – wie seit Jahresbeginn – über die Veränderungen im Busverkehr der Stadtwerke. „Suboptimal“ bezeichnete Dr. Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft / ÖDP in ihrem Eilantrag, was auf die Bürger zugekommen ist. Mit drei Kernpunkten an Kritik:

  1. Menschen, die keine Smartphones nutzen, werden extrem benachteiligt. Sie haben keine Chance, Vergünstigungen zu erhalten. Weder mit der Kreditkarte noch mit der Prepaid Karte kann man die vergünstigten 6er Karten nutzen. Für diese Menschen (meist betagte Senioren, die auf den Bus angewiesen sind) gilt durchgängig der bedeutend teurer gewordene Einzelpreis. Am Servicepoint der Stadtwerke erhält man die Auskunft, dass man die 6er Karten in Papierform beim NVM in Würzburg abholen oder via Post zugesendet bekommen kann.
  2. Schüler, die weniger als 3 km von ihrer Schule entfernt wohnen und damit keinen Anspruch auf eine kostenlose Beförderung haben, müssen neuerdings den vollen, unrabattierten Einzelpreis zahlen. Lag der monatliche Preis mit der Kinderflexikarte gedeckelt bei ca. 30 Euro, so müssen Schüler bis 15 Jahre nun 1,20 und ab 15 Jahre 2,40 Euro pro Einzelfahrt zahlen. In Würzburg wird im NVM ein 6er Ticket für Kinder angeboten, nicht aber in Schweinfurt!
  3. Die Verlegung diverser Haltestellen und die Ausdünnung der Taktzeiten stellen – vor allem aus Kundensicht – an vielen Stellen eine deutliche Verschlechterung dar. Hinzu kommt bei der Linienführung aber die nicht unwichtige Sicht auf die Innenstadt, die es zu beleben und nicht zu entvölkern gilt. Mit der Verlegung von zwei von drei Buslinien weg vom Marktplatz wird das Gegenteil erreicht. Am Marktplatz hält einzig noch die Hochfeld-Linie – die Bürger vom Deutschhof, aus Mainberg, Schonungen und Hausen werden dort nicht mehr abgesetzt. Mal sehen, wie viele Senioren künftig am Schweinfurter Wochenmarkt noch einkaufen, wenn ihnen der Weg zur Bushaltestelle am Rusterberg mit Gemüse beladen zu weit ist…

Diese und weitere Kritikpunkte sind so wesentlich, dass sie vom Stadtrat diskutiert und nach Möglichkeit berücksichtigt werden müssen.

Auch die Fraktion der Linken (siehe eigenen Beitrag über deren Testfahrt) und die SPD stellten Anträge. Für die Sozialdemokraten sind es gleich acht Punkte:

  1. Die Standorte neuer Bushaltestellen sind teilweise schwer nachvollziehbar. So befinden sich beispielsweise die neuen Haltestellen beim Kaufland in der Hauptbahnhofstraße unmittelbar hinter dem Kreisverkehr, während die bisherigen näher an der Innenstadt lagen und gut ausgebaut waren. Hier sind Rückstauproblematiken absehbar.
  2. Die Öffentlichkeitsarbeit war bislang unzureichend. Die Sonderausgabe des „SW Journals“ ist bei vielen Haushalten nicht angekommen, was sicherlich auch mit der Verteilung erst kurz vor Weihnachten zusammenhängt. Auch der Verbund leistet hier deutlich zu wenig koordinierte Öffentlichkeitsarbeit auf allen Kanälen.
  3. Die schlechte Verfügbarkeit der Prepaidkarte hat bei vielen Fahrgästen zu Verunsicherung und Ärger geführt. Hier muss eine zuverlässige Erhältlichkeit sichergestellt werden.
  4. Eine Nachfolgeregelung für das Sozialticket muss schnellstmöglich gefunden werden. Es ist keine zufriedenstellende Lösung, dass die Berechtigten anstelle einer Monatskarte nur noch vergünstigte Einzelfahrten erhalten können.
  5. Bei einem freiwilligen Verzicht auf die Fahrerlaubnis im Alter erhalten die Stadtbewohner inzwischen – entgegen der Beschlusslage des Stadtrats – kein Jahresticket der Stadtwerke mehr. Gleichwohl ist diese Leistung nach wie vor auf der Stadthomepage zu finden. Hier müssen Verwaltung und Stadtwerke ebenfalls eine bürgerfreundliche Nachfolgeregelung finden.
  6. Die Linienführung ist teilweise zu hinterfragen, da hier Engstellen und potentiell gefährliche Situationen entstehen, beispielsweise in der Straße „Am Friedhof“ und durch die Abbiegesituation an der Ecke Wilhelm-Leuschner-Straße/Niederwerrnnerstraße.
  7. Die neue Tarifstruktur führt beim Monatsticket für Schülerinnen und Schüler, die nicht weiter als 3 km von der Schule entfernt wohnen, zu unverhältnismäßigen Teuerungen. Hier wäre die Einführung eines 365-Euro-Tickets, wie es schon in anderen bayerischen Verkehrsverbünden existiert, dringend erforderlich.
  8. Um die Verbindung zwischen Bus und Bahn zu stärken, ist vom Verkehrsverbund und den Stadtwerken die Einführung des City Tickets, das es in anderen Städten bereits gibt, beim Kauf eines BahnTickets zu ermöglichen.

Die Diskussion wurde eröffnet. Zunächst mit mehr oder weniger einer Absage von Oberbürgermeister Sebastian Remelé zum Eilantrag von Dr. Schneider. Die wollte die Aufnahme der Stadtratssitzung nicht nur als Livestream gezeigt wissen, sondern als auch danach verfügbaren Beitrag „für Leute, die tagsüber arbeiten, die um 14.30 Uhr nicht zuhören können. Wir lassen diese Aufnahmen für teures Geld, mehrere tausend Euro pro Sitzung, machen, es gibt keinen Grund, technisch schon gar nicht. Hier geht es um nichts Anderes als um Transparenz!“ Die Antwort vom OB: Pressesprecher Werner Duske sei erkrankt. „Ich kann nicht versprechen, dass wir das organisieren können!“ Abgestimmt darüber wurde nicht. Nun gut…

Und ja, man könnte nun ein Buch schreiben über diese Stadtratssitzung. Als es draußen dunkel wurde, hielten die Diskussionen immer noch an. Obwohl es um 14.30 Uhr los ging…. OB Remelé weiß: „Wir haben einen großen Wurf gemacht mit dem Stadtbusnetz 2.0, verbunden mit erheblichen Veränderungen!“ Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Kästner „Ein Bussystem ist immer ein lebendiges System!“ Er gab zu, dass Veränderungsbedarf besteht. Und er versprach: Die überdachten Bushäuschen, die nun still gelegt wurden werden an neu enstandene Haltestellen verlegt.

Mirko Hrnjak leitet den Bereich Personenverkehr und Fahrzeugtechnik. Er stellte viele Punkte sehr überzeugend vor und gab zu: „Der erste Schuss kann bei solch großen Veränderungen nicht sitzen. Aber langsam kommt Routine rein!“ Die Leute und die Busfahrer gewöhnen sich an die Veränderungen. Und: Der Schülerverkehr wurde ja ab 20. Januar bereits angepasst, damit keine Kinder zurück gelassen werden. Er gab auch zu: Der beauftragte Dienstleister hat das Sonderjournal der Stadtwerke schlecht verteilt, somit wurden die Bürger nicht wie geplant informiert. Große Verärgerung deshalb! Man ist richtig sauer über diesen Lapsus.

Hrnjak sprach vom Anpassungsbedarf für März mit Änderungsvorschlägen: So fallen die Haltestellen „Am Kreisel“ beim Kaufland wieder weg, die in der Friedrichstraße werden reaktiviert. Die Haltestellen St. Anton Straße entfallen, die in der Rhönstraße kommt zurück. Der Theuerbrünleinsweg wird wieder angebunden, die Niederwerrn Fahrten führen wie früher über die Schweinfurter Straße. Weitere Fahrten wie Fahrtzeiten werden angepasst. Weitere 5000 Prepaidkarten sind bestellt.

Wichtig für ihn: Der Nahverkehr Mainfranken (NVM) setzt die Tarife fest, die Stadtwerke haben diesbezüglich keine Hohheit mehr. Christopher Alm, Geschäftsführer Verkehrsverband Mainfranken, berichtete, dass das 365 Euro Ticket in Schweinfurt aus diversen Gründen (noch) nicht gültig, geplant aber für das Schuljahr 2025/26 ist. Er stellte das Mainfranken-Ticket vor, mit dem man für 9 Euro den gesamten Tag im Verbreitungsgebiet Bus fahren kann. Das ist fast ganz Unterfranken.

Meinungen der Stadträte: Für Dr. Johannes Petersen (SPD) ist der Tarif-Dschungel zu groß und waren die Veränderungen ein „Kommunikations-Desaster“. Sein Parteikollege Ralf Hofmann hat „das Gefühl bekommen, dass die Stadtwerke die Kritik erst nehmen“. Man habe „vielleicht unterschätzt, dass wir Opfer der Rückstände bei der Digitalisierung in unserem Land sind. Und wir müssen Veränderungen mit Schmerzen ertragen, um nicht weiter in Rückstand in Deutschland zu geraten.“

Was Hofmann ärgert: Man hätte das alles womöglich vermeiden können, wenn die Leute gewusst hätten, was auf sie zukommt. Die Öffentlichkeitsarbeit habe überhaupt nicht funktioniert. Obwohl eine Million Leute betroffen sind vom neuen Nahverkehrsverband, habe der nur eine zweistellige Zahl Follower auf Facebook.

Nochmals SPD, Kathi Petersen: Für sie wird der Markt als zentraler Punkt der Stadt nun zu selten angefahren. Ältere Menschen kaufen dort gerne ein. Auch die Segnitzstraße am Hochfeld mit zwei Kirchen plus Geschäften hat nun keinen Bushalt mehr.

Davon konnte sich Frank Firsching mit der Fraktion der Linken bei der Testfahrt überzeugen. Er ist „zuversichtlich, dass die Stadtwerke die Schwachstellen aufgreifen und abstellen. Einige Punkte brennen ihn dennoch. Beispielsweise sei´s kein Gewinn für die Innenstadt und gerade die Gastronomie, wenn am Samstag der letzte Bus um 21.30 Uhr abfährt. „Warum nicht Busbetrieb bis 0 Uhr?“

Die Freien Wähler: Adi Schön findet es gut, dass Fahrgäste mit Rolator oder Kinderwagen nun hinten einsteigen und sich nicht mehr vorhangeln müssen zum zu Busfahrer. Sein Kollege Stefan Labus stimmte im Aufsichtsrat der Stadtwerke gegen zu viele Veränderungen und bedankte sich nun bei den BürgerInnen. „Die haben ihre Hausaufgaben gemacht!“ Und mit ihren Protesten für die Korrekturen nun gesorgt.

Keine brisante Stadtratssitzung ohne Dr. Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft / ÖDP: Vor der Diskussion habe man am Dienstag „über eineinhalb Stunden geschildert bekommen, wie gut alles ist“. Sie erwähnte den Brief, den sie vom OB bekam, weil sie sich als Aufsichtsrätin der Stadtwerke negativ äußerte zu den Veränderungen. Ihr Rat: „Wir müssen auf diejenigen hören, die die Busse nutzen. Ohne Passagiere nutzt das beste System nichts.“ In fast 30 Jahren als Stadträtin habe sie noch nie so viel kritische Resonanz, soviel Post von Bürgern bekommen. Die Umstellung auf ein rein digitales System grenze Senioren aus. Alte Menschen sind mit Apps völlig überfordert. „Analog unterwegs zu sein, das muss erlaubt sein. Ansonsten ist es Diskriminierung.“

In Schonungen sei nun ein ganzer, steiler Berg abgehangen, weil der Bus dort nicht mehr fährt. Es gebe keine Erklärung für diese Menschen. Der Plan der Stadtwerke sei viel zu ehrgeizig gewesen. Was für einen „immensen Imageschaden für ÖPNV, Stadtwerke und die ganze Stadt“ gesorgt hätte. „Und die dringend notwendige Verkehrswende rückt so in weite Ferne.“

Selbstkritik hörte sie nicht, sprach vom „Desaster“, wenn die Verantwortlichen nun die Kommunikation verbessern wollen mit Großplakaten. Sie hörte, dass die Busfahrer möglichst nicht sprechen sollen. Einer meinte wohl sinngemäß: „Ich kündige, wenn das System nicht wieder das alte wird.“ Der Grund: Lange Wartezeiten im Nirvana mit fehlenden Toiletten, die Fahrer schlagen sich teils in die Büsche…

Stadtwerke-Chef Thomas Kästner kann „nicht bestätigen, dass die Busfahrer unzufrieden sind. Ich bin im Austausch mit Betriebsrat“. Er sprach von „Verbesserungen, weil sie nicht mehr beschäftigt sind mit dem Einstieg oder als Kontrollstelle oder Blitzableiter mit Schwarzfahrern.“

Das Verständnis nahm zu: Stefanie Stockinger-von Lackum (CSU) findet es „normal, dass es am Anfang ruckelt und Zeit braucht, bis es sich einspielt.“ Noch deutlicher wurde Holger Laschka von den Grünen: Über uns ist kein Tsunami hereingebrochen, niemand ist mit einer Schrotflinte herum gelaufen.“ Der Mensch sei ein Gewohnheitstier, „manche haben vor Veränderungen Angst und Vorbehalte bei der Digitalisierung“. Er selbst sei im Januar 30 Mal mit dem Bus gefahren, bereits am zweiten Tag sei alles für diejenigen, die immer fahren „Business as usual“. Andere Fahrgäste wurden an die Hand genommen. Untereinander helfen, sei das Thema. „Aber natürlich müssen wir nachbessern. Doch wie schnell sollen denn noch Veränderungen vorgenommen werden? Respekt vor der Flexibilität der Stadtwerke!“

Christiane Michal-Zaiser von proschweinfurt machte unwissend großen Spaß: Bei ihr im Stadtteil Hochfeld sei das Sonderjournal nicht ausgeteilt worden. So wie sie seit eineinhalb Jahren die Werbeblätter nicht mehr bekommt. „Vielleicht hätte man es die Main-Post austeilen lassen müssen!“ OB Remelé sprang ihr ins Wort: „Die Main-Post hat es verteilt…“ Verständnis mit der Entscheidung hatte Stefan Funk (CSU): „Sie haben den Top-Dienstleister am Main genommen.“ Generell sei „so viel Positives gemacht worden.“

Das Schönreden der CSU und die Kritik an ihr, sie argumentiere populistisch, sei hahnebüchen, so Dr. Schneider abschließend. Keinerlei Lösungen würde der Stadtrat suchen, um die Probleme gerade für die älteren Bürger zu beseitigen. Nach über vier Stunden war genau dann Ende der Debatte, diesmal beantragt vom Grünen Dr. Reginhard von Hirschhausen. Ein oft genutztes Mittel, wenn Schneider nochmals die Finger in die Wunde legt. Zum Abschied empfahl Sebastian Remelé für den Abend „eine schöne Flasche Wein, das erhöht die Vergesslichkeit“.

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