Ersatzmann Martin Allegro hielt mit seinem Sieg gegen Denkmal Timo Boll die Spannung im Spiel

WÜRZBURG – Das in der Würzburger tectake-Arena ausgetragene Spitzenspiel der Tischtennis-Bundesliga zwischen dem Zweiten Borussia Düsseldorf und dem Vierten TSV Bad Königshofen fand ein nicht unerwartetes 3:1-Advents-Ergebnis: Drei Kerzen für den Rekordmeister, eine für den Außenseiter.

Nach einem Sport-Spektakel, einem großen Tischtennis-Fest. Und wer weiß, was für den TSV möglich gewesen wäre, wenn die verletzten Bastian Steger und Kilian Ort hätten spielen können. Aber dann wäre Martin Allegro, der Mann des Abends neben Timo Boll, ja im Einzel gar nicht zum Einsatz gekommen.

So gut sich Jin Ueda gegen den Einzel-Europameister von 2022, den Weltranglisten-11. Dang Qiu auch verkaufte, drohte es zwischendurch mal eine kürzere Angelegenheit zu werden. Weil Ueda zwar großartig spielte, aber verlor, Filip Zeljko sogar klar. Und Martin Allegro wurde gegen Timo Boll vermutlich auch nicht viel zugetraut. Dann wurde es doch ein fulminanter Sonntagnachmittag mit höchstem Unterhaltungswert und mitunter Weltklasse-Sport vor 3000 Zuschauern.

Nicht nur Timo Boll (43) verabschiedete sich aus Würzburg, sondern auch Jin Ueda (32), der nach der Saison wieder in seine japanische Heimat zurückkehrt. Bei seinem ersten und letzten Auftritt in der Domstadt zwang er im ersten Einzel Düsseldorfs Einser Dang Qiu (28) zur Herausgabe seines ganzen Könnens. Diese Partie war eine taktische Demonstration zweier Protagonisten, die jeden schlagen können und dennoch manchmal verlieren.

In diesem Schlüsselspiel hatte keiner eine Niederlage verdient. Das Kurz-kurz-Spiel bevorzugten beide. Besonders perfektionierte es Qiu in der heißen Phase jeweils zum Ende des ersten, zweiten und vierten Satzes hin und brachte sein Team in Führung. Für den einen einzigen gewonnenen Punkt beim spektakulärsten Ballwechsel im vierten Satz musste Ueda allerdings hohen Tribut zollen. Nach einer Wahnsinns-Rallye zum 1:2, die selbst die Sitzplatz-Fans mit stehenden Ovationen belohnten, zog Qiu auf 1:9 davon und machte ganz cool mit 5:11 zu.

Auf 2:0 für Düsseldorf erhöhte die Nr. 18 der Weltrangliste Anton Källberg mit einer gnadenlosen Abfuhr für Filip Zeljko, der nur im ersten Satz ernsthaften Widerstand leisten konnte. Gegen ihn hatte er ja noch nie gewonnen. So weit wie diesmal war er davon allerdings nie entfernt. Der Schwede glänzte mit Top-Ten-Weltklasse, cool und abgezockt. Er bestätigte seinen Trainer Danny Heister mit seinem taktischen Aufstellungspoker. Bei ihm sah alles so einfach aus, so dass selbst die Ping-Pong-Ultras aus dem Grabfeld einmal sprach- und gesanglos wurden.

Wenn eingetroffen wäre, was sich beim Spiel der TT-Ikone Timo Boll gegen den TSV-Ersatzmann Martin Allegro im ersten Satz (2:11) andeutete, wäre die Veranstaltung früher zu Ende und weniger Gedächtnis-prägend für die 3000 gewesen. Eine schwierige Aufgabe freilich für den Belgier nach nur zwei Einzel-Einsätzen (1:1) bisher. Nicht nur wegen Boll, sondern wegen des 0:2-Zwischenstands und dem drohenden raschen Ende. Noch dazu stand außer den vielleicht 10% TSV-Sympathisanten die Arena hinter dem Star des Tages.

Was Allegro daraus machte, hob seine Leistung noch einmal über den Sieg von Bremen. Boll hatte ja im Vorfeld in einer Talkshow davon berichtet, seine Abschiedstour diese Saison sei „eine emotionale Achterbahnfahrt und ein Gefühls-Chaos.“ Im ersten Satz (11:2) war davon kaum was zu sehen, sondern ausnahmslos Weltklasse-Sport der ehemaligen Nr.1 der Welt. Die dann doch ihren Meister fand. Als Allegro zudem immer selbstbewusster und frecher aufspielte, erst recht. Die beiden machten dieses Spiel zu einem ganz denkwürdigen und attraktiven, mit Ballwechseln, die man nicht jeden Tag zu sehen bekommt.

Allegro holte den zweiten und vierten Satz zum 2:2-Ausgleich und schien im fünften ab 2:6 weg vom Fenster. Doch bei 8:8 war er wieder dran und verwandelte seinen zweiten Matchball zum 12:10-Sieg: Stand da hinter dem Tisch, hob die Hände nicht als Triumphator, sondern eher nach Entschuldigung aussehend und erklärte hinterher: „Ich bin schon immer ein Fan von Timo Boll. Dann die Situation mit seinem Abschied und diese 3000 Zuschauer. Ich war in diesen 45 Minuten aber in meiner eigenen Welt. Über meinen Sieg würde ich mich mehr freuen, wenn wir als Team gewonnen hätten. So bin ich jetzt im Moment eher traurig als glücklich.“

Anschließend rehabilitierte sich Filip Zeljko im Einser-Duell gegen Dang Qiu, den er schon zweimal besiegen konnte, mit einer deutlichen Leistungssteigerung. Wobei er zweierlei Gesichter zeigte: In den ersten Satz haute er seine ganze Mentalität hinein, erkämpfte sich fünf Satzbälle und vergab sie, wie sie kamen. Während Qiu den seinen zum 17:15 nutzte und seiner Mannschaft mit zwei weiteren Satzgewinnen den 3:1-Sieg sicherte.

Tischtennis-Bundesliga: Borussia Düsseldorf – TSV Bad Königshofen: 3:0
Dang Qiu – Jin Ueda 3:1
(11:8/11:8/9:11/11:5)
Anton Källberg – Filip Zeljko 3:0
(11:8/11:3/11:3)
Timo Boll – Martin Allegro 2:3
(11:2/8:11/12:10/9:11/10:12)
Qiu – Zeljko 3:0
(17:15/11:4/11:6)
Zuschauer: 3000

Text und Foto von Martin Allegro: Rudi Dümpert für www.mainfranken.news

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